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Gesichter im Nebel (German Edition)

Gesichter im Nebel (German Edition)

Titel: Gesichter im Nebel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Feyerabend
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Ansatzpunkt für seine finsteren Rachegelüste. Er konnte mit List diesen Plan, den er da als ungebetener Lauscher mitbekommen hatte, vereiteln und so auch gleich die ganze, ihm inzwischen verhasste Blase hier in die Luft fliegen lassen. Ein verlockender Gedanke, der seine schmutzige Fantasie mächtig beflügelte. Gleich morgen wollte er mit seinem Vater darüber ein längeres Telefonat führen. Der kannte in Dublin sicher einen Kollegen, für den die Neuigkeit interessant sein dürfte und aus der dieser vielleicht sogar Kapital schlagen könnte. Selbst wenn der neugierige Postmaster zuhörte, würde keine Gefahr drohen, da die Inselleute mit Sicherheit kein Französisch verstanden.
    Und während er Richtung Nordhafen hastete, sich öfters umsah, ob er verfolgt werde, malte er sich genüsslich aus, wie die Sache ausgehen könnte. Natürlich würde er Paddy als einen Haupträdelsführer angeben und ihm auf diesem Weg eine böse Bestrafung verpassen, ja ihm vielleicht sogar einen Gefängnisaufenthalt an den Hals binden.
    Zum Glück war er rechtzeitig getürmt, als er hörte, wie Paddy in der Stube aufstand und mit einem unverwechselbaren Geräusch polternd seinen Stuhl zurückschob. Nicht eine Sekunde zu spät hechtete er über den Zaun, denn diesmal hätte der irische Dickschädel gewiss keine halbe Sache mehr mit ihm gemacht. Da war er sich sicher.
    Er grinste höhnisch und siegessicher. Ja, einem Jean-Pierre konnte so leicht keiner ungestraft an den Karren fahren.
    Die Runde der Männer vertagte sich derweil auf die nächste Woche. Da wollten sie die junge Dublinerin zu sich bitten und zumindest zum Teil einweihen. Diesmal gab es keinen Alkohol und so war auch kein Grund gegeben, länger zu bleiben. Die Räte tapsten alsbald durch den inzwischen dichter gewordenen Nebel nach Hause.
    Für einen Abstecher zu „Cotter’s“ war es ohnehin zu spät. Der alkoholgewohnte Postmaster litt am meisten unter dem Entzug des Stoffes und freute sich schon auf eine große Flasche Dunkelbier, die er im Hausflur für den Notfall versteckt hatte. Davon würde sein Bruder nichts bemerken, mit dem er zusammenhauste und der ihm immer wieder Vorhaltungen machte, wenn er des Nachts angesäuselt aus dem Pub zurückkam.
    Xirian und Paddy hatten bis zum Haus des Fischers denselben Weg und Paddy rang mit sich, ob er sich dem Blinden anvertrauen sollte. Andererseits war er mit der Lektüre der verstaubten Kladde nicht ganz zu Ende und er beschloss, die brisante Geschichte noch für sich zu behalten.
    Doch da blieb der blinde Seher plötzlich stehen, stützte sich auf seinen Knotenstock und richtete das Wort an seinen Begleiter.
    „Paddy, du magst vielleicht lachen, aber ich habe das Gefühl, dass irgendetwas um uns ist. Vielleicht siehst du etwas, ich bin ja blind und kann nur meinem Gefühl vertrauen. Und das sagt mir, dass wir nicht alleine sind.“
    Der Fischer erschrak, denn auch er hatte längst bemerkt, dass ihnen die vermaledeiten Schatten folgten. Sie umwehten ihn von Zeit zu Zeit. Er glaubte sogar, so etwas wie verschwimmende Gesichter im Nebel wahrzunehmen, die auftauchten und wieder verblassten. Ein nüchterner Zeitgenosse hätte dieses Phänomen natürlich auf den Schein des Leuchtfeuers Fastnet geschoben. Aber das kam für Paddy nicht infrage, es waren Erscheinungen, da war er sich ganz sicher. Ja, die ruhelosen Seelen begleiteten sie, darauf würde er schwören.
    „Xirian, ich wollte ja noch nicht raus damit, aber nun: Ich spüre auch eine fremde Anwesenheit, ja, ich glaube manchmal, es sind Geister von Verstorbenen um uns. Nein, ich glaube es nicht nur, ich bin mir sicher! Denn ich habe eine alte Niederschrift auf dem Dachboden gefunden. Sie ist von einem meiner Urahnen. Und dem sind sie erschienen. Er hat alles aufgeschrieben und an Eidesstatt versichert, dass diese Lebensbeichte die reine Wahrheit ist. Auf Cape, auf uns allen, die wir hier leben, lastet ein uralter Fluch und viele Seelen aus der Vergangenheit finden keine Ruhe, geistern schon seit Tausenden von Jahren umher und beeinflussen das Denken und Handeln unserer Leute, ohne dass sie es bemerken.“
    Hier machte Paddy eine Pause und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ihm war bei seiner Erzählung ganz heiß geworden.
    Xirian stand mit offenem Mund da und sah trotz seiner Blindheit so aus, als habe ihm jemand plötzlich die Augen in eine andere Welt geöffnet. Er sagte zunächst gar nichts, zu frisch war das eben Vernommene. Er musste das alles erst einmal

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