Geständnis unterm Mistelzweig
Blick zu lesen. Ich verließ das Zimmer und fragte eine deiner Kolleginnen, ob du verheiratet seist.”
Chloe war so gerührt, dass sie kaum etwas sagen konnte. Sie sah Egan an. “Und wenn ich es gewesen wäre?”
“Dann hätte ich hier nicht bleiben können. Du hättest einen anderen Bauunternehmer suchen müssen.”
“Einen, der etwas für seine Mühe in Rechnung gestellt hätte?”
Er schwieg.
“Ich weiß, dass du an dem Heim nichts verdienst, Egan. Das habe ich herausgefunden.”
“Es war nicht nur meine Entscheidung, für die Renovierung ein so günstiges Angebot zu machen. Die ganze Familie war einverstanden.”
“Hast du es getan, weil du mich liebst?”
Ihm wurde bewusst, dass er die Worte nie gesagt hatte. Chloe musste sie hören. Er versuchte es. “Ich liebe dich.” Die Worte waren die Erlösung von allen Ängsten. Dies war der Augenblick, in dem die Dunkelheit durch helles Licht ersetzt wurde. “Ich liebe dich.”
“Was kann ich dir geben, nachdem du mir so viel geschenkt hast?”
Er hielt ihr Gesicht umfangen, damit sie es nicht abwenden konnte. “Was könntest du damit wohl meinen?”
“Manchmal habe ich das Gefühl, dass du in mich hineinschauen kannst, dass du alles herausfindest, was ich mir immer gewünscht habe, und es mir dann gibst, eines nach dem anderen.” Sie sah es ihm an, dass er sie nicht verstand, aber sie brachte es immer noch nicht fertig, über die Weihnachtswunschliste ihrer Kindheit zu reden.
Er lachte. “Ich verwöhne dich zu sehr, wie?”
“Ja.”
“Aber das ist gegenseitig.”
“Wirklich?”
“Als ich aufwuchs, habe ich beobachtet, wie meine Eltern miteinander umgingen. Ich wusste, dass ich mir jemanden wünschte, den ich ebenso lieben konnte, wie mein Vater meine Mutter liebte. Jetzt bin ich neunundzwanzig, und bisher habe ich eine solche Frau nicht gefunden -- bis jetzt nicht. Manchmal hatte ich schon Angst, es gebe sie gar nicht …”
Chloe hatte gesehen, wie die Frauen Egan anschauten. Es gab bestimmt viele, die gern ausprobiert hätten, ob sie einen Platz in seinen Träumen finden konnten. Aber er hatte gewartet. Und nun hatte er sie ausgewählt.
“Du hast noch nicht Ja gesagt, Chloe.”
Es gab so viel zu bedenken, ihre widersprüchlichen Gefühle hielten sie in Atem. Sie war sich noch nicht ganz sicher, was sie eigentlich wollte. “Du brauchst nicht sofort Ja zu sagen, Chloe. Aber du könntest mir sagen, ob du mich liebst.”
Sie dachte an den Mann, nach dem sie insgeheim verlangt hatte, der sie von ganzem Herzen lieben und sie für die schönste und begehrenswerteste Frau auf der Welt halten würde. In diesem Augenblick wurde ihr plötzlich klar, dassder Mann, den sie sich gewünscht hatte, hier in ihren Armen lag.
“Ich liebe dich”, sagte sie. “Ich liebe dich, Egan.”
Er zog sie noch fester an sich.
Sie schloss die Augen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund musste sie an die Mädchen im Heim denken, an Wunschlisten und unerwartete Geschenke. Entschlossenheit, harte Arbeit und … unerwartete Geschenke.
“Was habe ich nur getan, dass ich dich verdient habe?” fragte sie leise.
“Du verdienst alles. Aber Liebe hat damit nichts zu tun.” Er küsste sie leidenschaftlich. “Bei Liebe geht es nur um Liebe. Verstehst du mich, mein Schatz? Liebe ist mehr oder weniger ein Wunder.”
6. KAPITEL
A m Heiligabend schimmerte der Schnee im Mondschein. Es sah so aus, als seien Myriaden winziger Sterne auf die Erde gefallen, deren Lichtschein Chloe und Egan auf der Fahrt zum Haus der O’Briens begleitete. Aus dem Autoradio erklangen Weihnachtslieder. Chloe und Egan unterhielten sich angeregt, und Chloe dachte, einen vollkommeneren Abend habe es noch nie gegeben.
“Was, glaubst du, machen die Mädchen jetzt?” fragte Egan.
Chloe hatte entschieden, dass das Heim unerschütterliche Weihnachtstraditionen brauche, auf die die Mädchen in jedem Fall vertrauen konnten, ganz gleich, was in ihrem Leben durcheinander ging. Deshalb wusste sie genau, was die Mädchen jetzt taten.
“Sie setzen sich zu dem Abendessen zusammen, das sie sich ausgesucht haben.” Chloe hatte die Stimmzettel selbst ausgezählt. Schinken und Roastbeef hatten gewonnen, und es hatte ein einstimmiges Votum dafür gegeben, dass keinerlei Grünes dabei serviert werden sollte. “Und sie werden ihr Bestes geben, um sich für einen Abend wie vollkommene Damen zu verhalten.”
“Kein Fluchen, keine Sticheleien?”
“Nicht an diesem Abend. Als wir abfuhren, waren
Weitere Kostenlose Bücher