Geständnis unterm Mistelzweig
dachte, du würdest mich vielleicht deiner Familie vorstellen wollen”, sagte Egan.
“Wir fliegen nach Griechenland?”
“Für die Flitterwochen, wenn du willst.”
“Ich dachte …”
“Was hast du gedacht?”
“Ich dachte, es würde noch Jahre dauern, bevor …”
“Ich wollte nicht, dass du deine ganzen Ersparnisse für das Flugticket eines Detektivs ausgibst.”
“Oh, Egan …” Chloe schloss die Augen.
“Natürlich, wenn du lieber allein fliegen willst, kann ich das verstehen. Wir können unsere Flitterwochen auch anderswo verbringen.”
“Allein? Natürlich nicht. Das wird die schönste Hochzeitsreise, die ich mir denken kann.”
“Ich freue mich, dass du das so siehst.” Egan schloss Chloe in die Arme. Für lange Zeit war es im Flur wieder still.
“Komm”, sagte Egan schließlich. “Ich helfe dir, die Geschenke zu überprüfen.”
“Nein -- ich meine, das ist nicht nötig. Du wirst von der vielen Fahrerei müde sein. Ich schaffe das schon allein.”
Egan schob sie zum Wohnzimmer mit der großen Blautanne. “Red keinen Unsinn. Das wird eine gute Übung für später sein, wenn wir eigene Kinder haben.”
Chloe versuchte ihn aufzuhalten. “Aber das brauchen wir doch jetzt nicht zu üben. Es ist zu früh. Wir haben ja noch nicht einmal den Hochzeitstag bestimmt.”
Egan schaltete die Beleuchtung im Wohnzimmer ein. Der ganze Raum wurde von hellem Licht erfüllt. “Ich wollte nur mal sehen …” Egan verstummte verblüfft.
Chloe vermied es, ihn anzusehen.
“Nein, so etwas habe ich noch nicht gesehen”, sagte Egan schließlich.
“Was denn?”
Das Zimmer war voller Geschenke. Die meisten waren eingepackt, aber einige waren dafür zu groß. An einer Wand lehnten Skibretter, die mit einem roten Band zusammengebunden waren. Eine Stereoanlage, wie Heidi sie sich gewünscht hatte, war in einer Ecke aufgestellt. Wohin Egan auch blickte, überall waren Geschenke und noch mehr Geschenke. Er vermutete, dass den Mädchen jeder Wunsch auf ihren Listen erfüllt worden war.
“Ich habe das nicht getan”, sagte er schließlich. “Glaub mir, Chloe, ich war das nicht.” Er sah sie an und legte ihr die Hände auf die Schultern. “Ein Versprechen ist ein Versprechen. Ich würde nicht gegen deine Wünsche verstoßen.”
“Meine Wünsche”, wiederholte Chloe.
“Wirklich, ich weiß nicht, woher diese Geschenke kommen. Ich habe keine Ahnung. Aber von mir oder meiner Familie sind sie nicht.”
Chloe neigte den Kopf zur Seite und tat so, als schätze sie Egan ab. “Ich glaube dir.”
“Aber wer war es?”
“Vermutlich der Weihnachtsmann.”
Egan hörte gar nicht recht hin. “Der Verwaltungsrat? Jemand vom Personal?”
Chloe schob die Hände in die Taschen. Sie waren leer, fast so leer wie das Sparkonto, das sie am Montag aufgelöst hatte. Und leer würde auch ihr Gehaltskonto sein, wenn im Januar alle ihre Kreditkartenkäufe abgebucht waren.
“Ein Nachbar? Ein heimlicher Wohltäter?” überlegte Egan weiter.
“Der Weihnachtsmann”, wiederholte Chloe.
Als sie seine Fragen wegküsste, dachte sie über Weihnachtswünsche und unverhoffte Geschenke, über besiegte Angst und gefundene Liebe nach, über die einfache, vollkommene Schönheit des Gebens.
Sie kam zu dem Ergebnis, dass sie in Zukunft noch genug Zeit haben würde, um Egan alles zu sagen, was sie über den Weihnachtsmann erfahren hatte. Sie hatte viel Zeit -- ein ganzes Leben lang.
-- ENDE --
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