Geständnis
schlecht
behandelte und geknechtete potenzielle Mandanten, die nur auf ihn
warteten.
Sein Vater und er stritten vom ersten Tag an und trieben damit
alle übrigen Kanzleimitglieder in die Flucht - sie gingen in Rente
oder suchten sich eine neue Stelle. 1990, mit fünfunddreißig
Jahren, verklagte Robbie die Stadt Tyler in Texas wegen
Diskriminierung bei einer Wohnungsvergabe. Der Prozess in Tyler
dauerte einen Monat, und irgendwann musste Robbie Personenschützer
engagieren, weil die Morddrohungen allzu glaubwürdig wurden. Als
die Geschworenen ein Urteil über neunzig Millionen Dollar fällten,
wurde Robbie Flak zur lebenden Legende und so wohlhabend, dass er
mit seinem Geld juristisch mehr Staub aufwirbeln konnte, als er
sich je erträumt hatte. Um ihm aus dem Weg zu gehen, verbrachte
sein Vater die meiste Zeit auf dem Golfplatz. Und Robbies Frau zog
einen Schlussstrich und kehrte in ihre Heimatstadt St. Paul
zurück.
Die Kanzlei Flak wurde zum Mekka für alle, die sich von der
Gesellschaft in irgendeiner Form benachteiligt fühlten. Die
Missbrauchten, die Beschuldigten, die Geschlagenen, die Verletzten,
alle kamen sie irgendwann zu Mr. Flak. Zum Durchforsten der Fälle
stellte Robbie unablässig neue Anwälte und juristische Hilfskräfte
ein. Er recherchierte täglich im Internet, behielt die guten und
warf die schlechten wieder hinaus. Die Kanzlei wuchs, bis sie
implodierte. Sie wuchs erneut, implodierte wieder. Anwälte kamen
und gingen. Er verklagte sie, sie verklagten ihn. Das Vermögen
schwand, dann gewann Robbie erneut einen lukrativen Fall. Der
Tiefpunkt seiner schillernden Karriere war erreicht, als er seinen
Buchhalter der Veruntreuung überführte und mit einer Aktentasche
auf ihn losging. Eine ernsthafte Bestrafung konnte er abwenden,
indem er eine dreißigtägige Haftstrafe für leichte Vergehen
aushandelte, aber die Schlagzeile sorgte in Slone für großes
Aufsehen. Robbie, der - wenig überraschend - Publicity liebte,
machte freilich weniger die Haftstrafe als die schlechte Presse
Sorgen. Die texanische Juristenvereinigung erteilte ihm einen
offiziellen Verweis und setzte für neunzig Tage seine Lizenz außer
Kraft. Es war das dritte Mal, dass er mit der Ethikkommission
aneinandergeriet, und er schwor, dass es nicht das letzte Mal sein
würde. Dann packte Ehefrau Nummer zwei ihre Sachen und
verabschiedete sich, einen hübschen Scheck in der
Tasche.
Sein Leben entsprach ganz seinem Charakter. Es war chaotisch,
maßlos, im ständigen Konflikt mit sich selbst und der Umwelt, aber
nie langweilig. Hinter seinem Rücken wurde er „Robbie der Spinner“
genannt, und als es mit dem Trinken schlimmer wurde, kam „Robbie
Flasche“ auf. Ungeachtet des ewigen Rummels, des allmorgendlichen
Katers, der hysterischen Frauen, der klagenden Partner, der
prekären Finanzlage, der verlorenen Fälle und der Verachtung der
Honoratioren war Robbie Flak jeden Morgen, wenn er den Bahnhof
betrat, aufs Neue wild entschlossen, für die kleinen Leute zu
kämpfen. Nicht immer wartete er, bis sie zu ihm kamen. Wenn Robbie
von einer Ungerechtigkeit Wind bekam, sprang er gern ins Auto und
machte sich auf die Suche. Dieser unablässige Eifer führte ihn
schließlich zum berühmtesten Fall seiner Karriere.
1998 erlebte Slone das spektakulärste Verbrechen der
Stadtgeschichte. Nicole Yarber, siebzehn, Schülerin der Slone High
School, verschwand und wurde weder tot noch lebendig je wieder
gesehen. Zwei Wochen lang stand die Stadt still, während Tausende
Freiwillige vergeblich Straßen, Felder, Gräben und leerstehende
Gebäude durchkämmten.
Nicole war eine gute und allseits beliebte Schülerin gewesen,
sie hatte den üblichen Klubs angehört und sonntags die
First-Baptist-Kirche besucht, wo sie hin und wieder im Jugendchor
mitgesungen hatte. Vor allem anderen aber war sie Cheerleader des
Highschool-Footballteams gewesen. Im letzten Schuljahr hatte sie
die Leitung der Gruppe übernommen, den vielleicht begehrtesten
Posten der ganzen Schule, zumindest für die Mädchen. Sie hatte
einen halbwegs festen Freund gehabt, einen Footballspieler mit
hochfliegenden Träumen, aber begrenztem Talent. An dem Abend, als
sie verschwand, hatte sie noch über das Mobiltelefon mit ihrer
Mutter geredet und versprochen, vor Mitternacht zu Hause zu sein.
Es war ein Freitag Anfang Dezember gewesen. Die Footballsaison für
die Slone Warriors war zu Ende, das Leben verlief wieder in
geregelten Bahnen. Ihre Mutter sollte später aussagen - und
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