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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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eine Form von Freiheit, stellt er hinter dem Scheibenwischer fest. Die Natur wäscht sich die Menschen ab. Ich wollt’ ich könnt’s auch! Bin den Mooshof noch nicht los. Daß einen Fröhlichkeit so deprimieren kann. Zu lang unter arglosen Menschen und mir vergeht das Lachen. Diese rosettengekrönte Tüchtigkeit! Erfolg hält auf...
    Lukas ließ seine Gedanken nicht treiben, sondern nahm sie in die Zucht. Hatte er sich etwas anderes erwartet? Das Mooshoffest war für den Männchenmaler lehrreich gewesen. Wahrscheinlich eine der am meisten verbreiteten Varianten gehobenen Landlebens: Ruhe, mit schnellen Straßen in die Unruhe, villenvororthafte Abgeschiedenheit mit allen Anschlüssen und Geräten, trefflich symbolisiert durch den Antennenbaum.
    Landleben, wie er es verstand, nahm sich daneben spleenig aus. Abenteuer, Ausgeliefertsein, das zur Selbsthilfe zwingt, wie im Fall des Unwetters. Er dachte an Väter im schottischen Hochland, die ihre halbwüchsigen Söhne im Freien übernachten lassen, ohne Schußwaffe, ohne Zelt, vor allem aber ohne vorher einen Kinderpsychologen zu konsultieren, damit sie lernen, die Angst vor der Natur zu überwinden, in die sie gehören. Archetypisches Ritual, das Männer macht, Männer fürs Land.
    In die Stadtwohnung paßten solche Gedanken nicht, und er drängte sie mit einer Pflicht zurück, die ihn gleich nach Eintreten zum Telefon greifen ließ.
    „Hofgut Bühlhof“, meldete sich die Fernsehbäuerin cool und wollte nicht begreifen, daß er ihren Freund zu sprechen begehrte. Auch der wunderte sich, soweit das seiner frühstücksbelegten Stimme zu entnehmen war. Doch nicht lange, am Schluß lachte er gar solidarisch und schloß mit drei Worten, von denen bestenfalls eines dem Sprachschatz des Voralpenlandes stammte: „Okay. Klar. Tschüß!“
    Durch die Bitte, wenn Martina kochte, ein wachsames Auge auf den Herd zu haben, sie sei für Küchenbrände nachweislich begabt, fühlte sich der Galan als Hofgockel zusätzlich betätigt.
    Beim nächsten Anruf war die Verwunderung auf Lukas’ Seite. Statt Georgia meldete sich Detlef: „Na, gut bekommen? Sie sind ja früh gegangen. Wurde noch sehr fröhlich. Sie sind also in der Stadt. Ich sag meiner Frau Bescheid. Tschüß!“
    Merkwürdiger Kundendienst! dachte Lukas und ein Blick durch den ungewohnten Raum seines künftigen Lebens brachte ihn aufs Land zurück.
    Im Riedhof steht noch die Eckbank und der Tisch!
    Ihm war klar, daß diese beiden Stücke in die Wohnung mußten, anderes dafür raus — wahrscheinlich der Mahagonibücherschrank, zu streng neben abgelaugter Fichte. In seinem alten Lieblingssessel mit den Polsterbäckchen auf den Armlehnen, komponierte er Einrichtungen.
    Georgia hätte mit den Vorhängen zu keiner besseren Zeit kommen können. Ein Kuß genügte, sie mit seinem Gestaltungsfieber anzustecken, sie aus ihren Schuhen zu vertreiben, hinauf auf einen Stuhl. Er hielt das Stoffgewicht, sie hängte die Halteschlaufen in die Rollhäkchen der Deckenschiene ein, ab und zu von zärtlichen Zugriffen angenehm abgelenkt, je nach sich bietender Perspektive.
    Sie fand, es werde schick. Ihm wäre eine Messingstange lieber gewesen. Aber wohin damit, wenn die Scheibe bis an die Decke reicht? Obwohl vom Architekten nicht vorgesehen, wurde es wohnlich. Die Vorhänge, die Georgia nach seinen Maßangaben hatte nähen lassen, paßten. Nachdem alle aufgemacht waren und sich auch zuziehen ließen, füllten die beiden das Halbdunkel, trotz verschiedener Inkarnationsstufen mit intensivem Zusammenklang.
    Lukas, gerade dabei wieder fröhlich zu werden, sah sie an und stutzte. Hab ich was falsch gemacht? Sie lächelt so dankbar.
    Wie es sich verhielt, ließ sich nicht mehr feststellen. Georgia war in ihrem Harmoniebedürfnis umsichtig. Was sie dafür tat, das tat sie ganz, vom mitgebrachten Krabbencocktail, der Spargelcremesuppe, dem Rindsfilet mit Rösti, bis zur Eisbombe und eben den Vorhängen. Angetan mit einer Frotteejacke von ihm, briet sie das Fleisch. Lukas deckte den Küchentisch, die Assoziation war unvermeidlich:
    Ein Sonntag, wie vor zwanzig Jahren! Das heißt, damals war so was problematischer, verbaut mit Hoffnungen, Befürchtungen, Erwartungen. Heute herrscht Gewißheit. Daß mir das Eis nicht bekommen wird, zum Beispiel...
    Nach Tisch lagen sie auf dem Bett, Zärtlichkeit mit Bequemlichkeit im Einklang. Luftkissenleicht ruhte ihre Hand auf seinem Bauch, in dem es erwartungsgemäß gurgelte und knörte. Da von der Extremität

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