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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Region. Unter den Umstehenden Bertram Köttgens. Der Fabrikant und Messnerhofbesitzer lächelt trotz seines Pechs mit den Bauern.
    Nach Händedrücken, Namen und Titeln, auffallend viele durch Ordensrosette im Knopfloch bestätigt, zieht Donicke hinter dem Gewölbe einen persönlichen Trumpf hervor — Eifrida, die Gattin, braungebrannt, friseurfrisch, mit geduldigen Augen im angestrengten Gesicht — war grad in ihrem Haus am Gardasee — und freut sich, endlich, wo mein Mann schon so viel ѵоn Ihnen erzählt hat.
    Überhaupt sind die Leute nett, die Atmosphäre erstaunlich naiv. Mit Einschränkungen. Martina macht aus dem Vorstellen eine Vorstellung. Sie kennt den alten Freund des Hausherrn natürlich längst, wie ihre Umarmung beweist. Demnächst wird sie ihn in einer Fernsehsendung vorstellen, verspricht sie mit geschulter Stimme. Ihr Galan muß sich selbst bekanntmachen, Donicke weiß den Namen nicht.
    Wenn’s ans Auffallen geht, darf ein Politiker nicht nachstehen. „Ja, wen seh ich!“ Mit ausgebreiteten Armen tritt Danielas ehemaliger Parteifreund Schnuckchen hinzu und drückt Lukas die Hand, besonders kräftig, weil in Tracht. Auch Gattin Lisbeth, das Aroma geschonten Temperaments mit schwerem Markenparfüm unterdrückt, freut sich auffallend, bis ein Satz von Lukas sie stutzen läßt.
    „Ich hab mir Sorgen gemacht. Sind Sie gut nach Haus gekommen, seinerzeit? Ich hab gar nichts mehr gehört.“
    „Oh ja.“ Sie lächelt unbewußt. Wer sich nicht mehr bedankt, bemerkt auch andere Nuancen nicht.
    Schnuckchen hat sich unters gehobene Wählervolk gemischt und verbreitet seine selbstgefällige Bonhomie, die im Voralpenland mit diplomatischem Schliff verwechselt wird.
    Die Standuhr an der Wand müßte, der Bemalung nach, vom Riedhof sein, stellt der Männchenmaler fest, unschlüssig, ob hier das Gewölbe die eingebaute Eiche erschlägt oder umgekehrt. „Mehr Stall ins Heim“ — hieß es in der kürzlich gelesenen Glosse eines renommierten Kritikers über den Zug aufs Land. Donicke verschleppt ihn zur Besichtigung des Hauses, das er schon zu kennen glaubt; der Balken im Auge seines Gastgebers ist aus Eiche. Er soll dennoch überrascht werden. Nicht in der Stube, wo fast alles wie früher ist, nur wie heute; nicht im Stüberl, wo die Chauffeure der Prominenz vor dem Fernseher sitzen — sollen auch was haben, wenn sie schon nicht trinken dürfen — , aber oben.
    Vom Flez, den Balkenattrappen kreuzen, steigen sie über die neue, zu breite Treppe hinauf ins Obergeschoß, von den Einheimischen Söller genannt. Der ist appartementhaft ausgelegt, wie auch alle Zimmer hier. In der Stubenkammer, dem Raum über der Stube, schmücken Blümchen auf Schleiflack den Schlaf von Konsul und Konsulin. Die Fugen des Bundwerks sind mit Kunststoff verschmiert, glänzend dunkelbraun, wie Hefeextrakt aus der Tube. In der Stüberlkammer umrahmen Trimm- und Hobbyfoltergeräte den Schreibtisch des ländlichen Chefbüros; die beiden anschließenden Kammern gehören der Einrichtung nach den Kindern, Marcus, mittlerweile siebzehn und Gwendolyn, fünfzehn, beide im Internat, wo sie den Eltern viel Freude machen, wie der Gast erfährt.
    Ein Eichenstock ohne Tür rahmt die durchbrochene Brandmauer, Portal gleichsam zu Donickes ureigenster Wohnidee. Die Selbstdarstellung umfaßt ein dreißig Quadratmeter Badezimmer mit Rundwanne, mehr Pool als Waschgelegenheit. Goldarmaturen mit Kristallgriffen vor üppig gemusterten Kacheln um roten Teppichboden beschleunigen die Assoziation von teurem Bordell.
    „Das Bad auf der Tenne!“ scherzt der Männchenmaler, im Zugzwang endlich etwas zu sagen.
    Mit blankem Glück, von keiner Selbstkritik getrübt, kündet Donicke den Superlativ an: „Dann werden Sie jetzt Augen machen!“
    Dem Bad folgt das Schwimmbad auf der Tenne, mit Bergblick durch den vollverglasten Giebel. Am Beckenrand zwei Polsterliegen unter schwenkbarer Solarbombe.
    „Sie sehen, in meinem Reich geht die Sonne nicht unter!“ habsburgt der Konsul.
    Zwei Eichenstufen über dem Wasser rundet sich das Bad zum Wohndorado mit lederner Sitzgruppe vor offenem Kamin, rustikal hinaufgemauert in die flachwinklige Dachkonstruktion mit Ständern und Streben, Eiche, Eiche, von Durchmessern, als handle es sich um einen Viadukt, Temperatur und Luftfeuchtigkeit erinnern den Gast an Daniela und Renate und Südostasien.
    „Na?“
    „Ja.“
    Selbst die unpräzise Lüge strengt an, und der Schöpfer der Wohnpfütze wartet auf mehr. Den Gast

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