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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Sie aufgespürt und freu’ mich riesig! Ihr alter Donicke.
    Auf welche Weise der ländliche Nachrichtendienst den Kontakt hergestellt haben mochte, blieb bei der telefonischen Zusage nicht zuletzt deshalb unerfragt, weil eine weibliche Stimme sie so vorzimmerglatt entgegennahm. Ein Umstand, der den Männchenmaler auf mancherlei Anregung für das beabsichtigte Karikaturenbuch städters landleben hoffen ließ.
    Der Moorhof, ein Mittertennbau mit traufseitiger Auffahrt — so stand es in Lukas’ Dauerlektüre, dem Besuch über Bauernhöfe des Voralpenlandes — , hatte im gemauerten unteren Teil viel zu große Fenster, tote Augen, ohne Sprossen, dick ummalt, im Obergaden Bohlenbau, reich verziert, das Laubengeländer mit massiven Balustern. Auf dem Dach vorn das Firstkreuz, christlich-schick, in der Mitte die alte Hofglocke unterm Wimperg und am Stallende ein Antennenbaum, der jedem Geheimdienst Ehre gemacht hätte. Auf dem Bühl-, Pacher- und Riedhof befand sich die Empfangsanlage landschaftsfreundlich unter dem Dach.
    Im Garten thronte auf starkem Mast ein barockes Lustschloß für Tauben, bemalt und unbewohnt. Im Veloursrasen geplattete Wege, die sich um wahllos verteilte Zierpflanzen schlängelten, sowie allerlei Krimskrams von der Steinputte bis zum Oleander im hölzernen Mistschubkarren. Das Ganze war umfriedet von einem Zaun aus zusammengeschraubten großen und kleineren Wagenrädern, es mußten Dutzende sein. Von einem seitlichen Durchlaß her eilte ein jüngeres Paar zur Tür. Sie voraus in modischem Dirndl mit weißen Strümpfen und flachen Pumps mit Silberschnalle, er im Trachtenanzug mit rosa Krawatte, korrekt als Städter auf dem Land, in der Hand einen riesigen Strauß.
    Blumen aufs Land, wie sinnig! amüsiert sich der Männchenmaler, während Lukas stockt. Das ist ja Martina! Also Wochenendlogierbesuch...
    Seine Beine setzten sich in Bewegung, auf und ab, die Vorfreude muß sich erst erholen.
    Im Flez, neu-eichen verbalkt, der Boden in rotweißem Marmor, empfängt ihn niemand. Hinten aus dem Stall dringen Stimmen und Blasmusik, Trachtenmenschen bewegen sich rustikal-jovial. Die Fernsehbäuerin hat noch ihren Auftritt. Immer wieder fällt der bei Bildschirmfüllern unvermeidliche Satz: „Ich hab Sie kürzlich gesehen!“
    Warum geht er nicht in den Stall? Der Männchenmaler möchte Donicke sehen, wie der ihm als Gutsherr aus dem Heimatfilm verkleidet entgegeneilt.
    „Grüß Gott, Herr Mountdorn.“ Ein Dirndl, ein echtes, hält ihm das Tablett mit Sektgläsern hin. Sie kennt ihn aus dem Dorf, von der Käseabteilung im Konsumgeschäft, hilft heute aus und versteht ihn.
    „Freilich kriegen’s a Bier. Ich tät’ m Nachmittag auch kein’ Sekt mög’n.“
    Da kommt er! Rhombus mit Hornbrille, pinguint Lukas entgegen. Merkwürdig sein Aufzug. Nicht Jäger, nicht Tracht, nicht Uniform, nur von allem ein bißchen und damit an Fotos aus den zwanziger Jahren erinnernd, von Gründungsmitgliedern der NSDAP. Rein äußerlich.
    „Mensch Dornberg!“
    Echt ist die Freude, echt wie der Siegelring an der weichen, tätschelnden Hand, wie die hauchdünne Armbanduhr oder die dicken Manschettenknöpfe mit Hirschköpfen. Das alte Bubengesicht steht noch voll im Saft — vermutlich Gerste — , manche Sommersprossen könnten schon Herbstflecken sein. Unverändert das Vokabular: So sieht man sich wieder, wie lang ist das jetzt her, gibt viel zu erzählen — das als Überleitung zur eigenen Person — , was sagen Sie zu meinem Hof, wird mal mein Ruhesitz, noch braucht mich die Firma, ich war der erste mit den Trimmgeräten, Sie erinnern sich, seit das Zeug in Mode ist, haben wir den Umsatz verdoppelt, wie begonnen, so gewonnen, aber jetzt will ich Sie erst mal bekanntmachen.
    Vom Dirndl aus der Käseabteilung mit einem Bierkrug versorgt, betritt Lukas den Wohn-Stall. Das leichte Kribbeln in der Magengegend wertet er positiv: er nimmt die im Raum vereinten Schwingungen wahr. Wie viele Menschen sie aussendeten, ist bei dem niedrig angesetzten Gewölbe schwer zu sagen.
    Donicke präsentiert ihn als alten Freund aus Schottland und Künstler mit dem Zeichenstift. Hier muß jeder etwas sein. Zumindest Hofbesitzer, wie das sportliche, nicht mehr ganz junge Arztpaar vom Schlöglhof, Praxis, versteht sich, in der Stadt; wie der rheinische Ladenkettenkönig Lissem, der Kölsch spricht und mit den wasserblauen Äujelschen zwinkert, wenn er bekennt: „Bin eijens einjeflogen!“ Ihm gehört der Egidihof, das Renommierstück der

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