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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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nichts Beruhigendes in die Serpentinen seines Verdauungstrakts einstrahlte, lenkte er mit längst fälligem Lob von der lauten Revolte ab.
    „Du bist eine exzellente Hostesse für Spätheimkehrer!“
    Georgia nahm die Hand weg. „Du arbeitest zu Hause. Also brauchst du ein Zuhause. Und das muß fertig sein, bis die beiden zurückkommen.“
    Ihre Fürsorge schmeichelte ihm, wenn auch nur für Sekunden. Sie ließ ein Kätzchen aus dem Sack, daß ihm ein Kater sicher schien: „Du mußt hier wieder Wurzeln schlagen, sonst hängst du rum. Das paßt nicht zu dir. Du mußt arbeiten. Hart arbeiten. Nicht nur jede Woche ein, zwei Briefe nach England schicken. Du mußt die wichtigen Leute kennenlernen. Das sagt auch Detlef! Wir werden dich zu unserem Herbstfest ins Wilhelm-Palais einladen, ungefähr hundert Personen, Verleger, Bankiers, Unternehmer...“
    „Donicke.“
    „Auch der“, bestätigte sie auf anderer Inkarnationsstufe, „und dann hat Detlef überhaupt die beste Idee: Eine Ausstellung deiner Arbeiten. Mit Vernissage! Er weiß schon den Titel, darüber lacht england. Das mußt du machen...“ Zuerst einmal mußte sich Lukas erheben. Das Eis und der gewünschte Streß hatten sich dynamisch verbündet. In der Klausur fand er Entspannung, brachte Ordnung in seinen Kopf.
    Und ich möchte doch möglichst nichts mehr werden!
    Zärtlich schloß der Spätheimkehrer seine Hostesse wieder in den Arm. Seinem Zugriff entnahm sie, daß er etwas zu tun beabsichtigte. Die Täuschung blieb nicht einseitig. Als das Telefon klingelte, dachte Lukas sofort an Küchenbrand. Doch es war Detlef.
    „Na, hängen die Vorhänge schon?“
    Heiter-locker blockte er ab. „Wollen Sie mich das fragen, oder wollen Sie Ihre Frau sprechen?“
    Der Dialog der Eheleute dauerte nur Sekunden. Georgia nickte. „Aber selbstverständlich, Schatz. Bis gleich.“
    Lukas bestellte ihr ein Taxi. Sie mußte mit Detlef zu irgendwelchen Leuten, die für ihn wichtig waren. Der flüchtige Abschied paßte ausgezeichnet.
    Seine Rolle gefiel ihm nicht, er kam sich zu alt und zu altmodisch vor. Warum eigentlich? Hatte er nicht schon oft die richtigen Leute durch die falschen kennengelernt? Sein Mangel an Ehrgeiz würde hilfreich sein. Die Sache mit der Vernissage war möglicherweise ein Einfall. Britische Verhältnisse würden ihm bald so fremd sein, wie’s die hiesigen noch waren. Mehr informieren könnte er sich, Diskussionen im Fernsehen anschauen, vielleicht noch mal was an die Zeitung schicken...
    Unverzüglich folgte er seinem Drang nach ordnender Tat — in die Küche, und schon beim Abspülen sah er das Neue neu: Es bereichert ein Verhältnis, wenn der Ehemann mitspielt!

    Wem gehört das Pferd? Wohin damit?
    Lukas, als Gutsherrenattrappe frühmorgens mit dem Fahrrad unterwegs, begegnete dem edleren Fortbewegungsmittel am Waldrand und dacht sofort an Lipi. Doch der Graf schied als Besitzer aus, denn es handelte sich um einen Haflinger. Da das Tier gesattelt war, mußte etwas passiert sein, ein Waldrand- beziehungsweise Innenwaldselbsterleichterer hätte zumindest die Zügel an einen Ast gebunden. Lukas stieg ab und näherte sich, unter beruhigendem Zureden, von vorn. Daß er Glück hatte, war sein Pech: Hier Zügel, hier Lenkstange — was jetzt?
    Am ehesten würde wohl der Pacher-Alois den Besitzer ermitteln können. Wieder half beruhigendes Zureden, der Haflinger ging mit. Anfangs im Schritt, und nachdem sich Lukas probeweise auf den Tretsattel geschwungen hatte, im Trab. Bis Motorgeräusch von hinten und eine aufgeregte Stimme das Tier unruhig werden ließen, daß der Hilfreiche, die Zügel dummerweise ums Handgelenk geschlungen, Mühe hatte, nicht von seinem Stahlroß abgeworfen zu werden.
    Das Pferd, entnahm er den Rufen, hieß Cora. Eine rundliche, kräftige, alte Frau in Gummistiefeln, Lodenrock und bäuerlicher Strickjacke, legte ihr Mofa in den Weggraben und nahm ihm die Zügel aus der Hand. Damit war für sie die Sache erklärt und er durfte sich für sein gutgemeintes Vorhaben entschuldigen. Bäuerin war sie nicht, vielmehr eine in Verwitterung begriffene Landfrau. Aus zusammengekniffenen hellen Augen beobachtete sie ihn, graues, glattes Haar fiel vom höchsten Punkt der Fontanelle nach allen Seiten in direkter Linie über den kugelhaften Schädel ab und war, mit Ausnahme eines scheunentorartigen Ausschnitts für das Gesicht, ringsherum auf Ohrläppchenhöhe waagrecht abgeschnitten. „Dann sind Sie vom Bühlhof!“ schloß sie, vom

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