Geständnisse eines graumelierten Herren
eine hölzerne Stallaterne auf. Von Alois, erfährt er.
Zuerst wird beschert. Eine selbstgestrickte ärmellose Weste und einen Korb voll selbstgemachtem Weihnachtsgebäck von Daniela, Renate schenkt ihm ein Buch über den bäuerlichen Holzbau im Voralpenland und einen Rasierpinsel aus Dachshaar mit silbernem Griff. An ihren Wangen werden seine Augen feucht, was sonst nur große Fliegen im Frontalaufprall schaffen. Auch Renate kämpft mit den Tränen. Sie ist ohne Nachricht von ihren Kindern. Nicht einmal Alexander hat geschrieben.
„Mein Geschenk für euch kommt später“, sagt er unter väterlichem Tätscheln. „Das Essen kommt hoffentlich gleich.“ Für Bella, die aus der Souffleurperspektive an ihm hinaufschaut, zieht er eine riesige Wurst aus der Tasche und schiebt sie ihr ins Maul.
Sein Begehren wird umgehend erfüllt. Daniela und Renate tischen auf. Krabbensalat, Gänseleber auf Toast, Sauerbraten mit Spätzle und eigenen Bohnen. Dazu trinkt jeder, was er mag. Weißen, Roten, Champagner oder Bier. Auch hintereinander. „Stinkgemütlich!“ Daniela wirft das Wort wie einen Köder aus. Lukas schnappt danach, sagt ihnen wie sehr ihn die Einladung gefreut hat. Das sei kein Zustand gewesen...
Sein Appetit schiebt sich wieder dazwischen. Daniela will etwas sagen, aber Renate hält sie zurück. Völlereisymptome treten auf, das Kauen wird langsamer, das Atmen kürzer.
Mit einem Lob der Dreisamkeit am harmonischen Ort schafft Lukas das Klima für seine Bescherung. Ausführlich betont er die langjährige Freundschaft und kommt dann zur Sache. Zu sich. Er habe in der Stadt nicht mehr arbeiten können, aus dem Gefühl, an einer dummen Entwicklung schuld zu sein. Er wollte nicht alle zehn Jahre auftauchen, Unruhe stiften und wieder verschwinden, er wolle endlich bleiben, ohne zu stören, ohne zu zerstören. Damit komme er auf sein Geschenk. Dieses sei der merkwürdigste, gleichzeit schwierigste Zuneigungsbeweis. Er wolle ihnen — das klinge jetzt vielleicht banal — er wolle ihnen seine Freundschaft schenken oder, anders ausgedrückt, seine Liebe bis zum Gürtel. Nach den Irrungen und Wirrungen der darunter liegenden Jahre gelte es, den Wink des Schicksals zu beherzigen, das sie nicht umsonst immer wieder zusammengeführt habe, nämlich für einander da zu sein und miteinander alt zu werden. Ohne sich in gerade bestehende Beziehungen einzumischen. Die seien, wie bei wahren Freunden üblich, jedes Privatsache. Unter diesem neuen Aspekt lege er ihnen seine alte Freundschaft unter den Weihnachtsbaum.
Sein Geständnis ließ nicht nur die Augen feucht werden, auch die Lippen, die ihn küßten.
Sie hatten ähnliches im Sinn gehabt, gestand Daniela, wenngleich weniger konsequent. Vor drei Tagen habe die komplikationsschaffende Quadratur sein Horoskop verlassen und noch heute Abend hätten sie ihm das Zu-Haus schenken wollen, das er so instinktsicher für sich ausgebaut habe, mit der Bitte, bei ihnen zu bleiben. Er brauche seinen Platz, wie der Hof einen Mann, und er gehöre aufs Land.
Renate nickte unter Tränen. Alles weitere werde sich finden. Bella teilte die allgemeine Sehnsucht nach Harmonie. Sie sprang auf die Bank, um auch dabei zu sein.
Lukas, im Begriff, etwas zu erwidern, hatte plötzlich andere Probleme. Genußgezeichnet wankte er hinaus. Renate und Daniela, mit Schüsseln und einer zweiten Champagnerflasche beschäftigt , Tätigkeiten gegen die Rührung, zwischen Stube und Küche, merkten es nicht sofort. Wo blieb er? Im Zu-Haus vermuteten sie ihn, in seinem Zu-Haus und schauten hinüber. Erst nach diesem vergeblichen Ausflug ins Mütterliche, stießen sie im Stüberl auf den Nächstliegenden. Die Hände über der Brust gefaltet, Nase und Fußspitzen zum Himmel weisend, wirkte er geordnet, wie das Relief auf einem deutschen Kaisergrab aus dem Mittelalter. Allein die Schuhe am Fußende des Doppelbetts abgestellt, nahmen der Ruhe die Endgültigkeit.
Da hob der Kaiser die Arme. „Kommt zu mir!“
In heiterster Laune stellten sie ihre Schuhe zu den seinen und rückten ihm von beiden Seiten auf den vollen Leib.
Es wurde still. Wie schläfrige Kinder an der Brust des Vaters lagen sie in seinen Armen. Der Männchenmaler in Lukas betrachtet das Bild, und große Heiterkeit kam über ihn, daß die Stimmbänder anschlugen.
„Die fröhliche Alterskommune! Ist es nicht herrlich? So geht es. Nur so! Ohne daß wir’s ahnten, haben wir uns im Herzen füreinander konserviert, haben die Voraussetzungen
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