Geständnisse eines graumelierten Herren
die Seite zu drehen, sowie eine Rebellion des Weihnachtsmahls im letzten Viertel des Verdauungstrakts.
Wem sich zuwenden? Wem mögliche Folgen der Rebellion zumuten? Poporzfrage...
Lukas kuschelt sich hinter Daniela. Die freigewordene Hand sinkt absichtslos auf ihren Schenkel. Da dies ohne textilen Filter geschieht, schiebt er sie zur Gürtellinie hinauf. Als er ihren Bauch berührt, zieht sie ihn für Sekunden ein, schmiegt ihn dann aber in seine Hand, weich und warm. Hinten überstürzen sich die Ereignisse. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, und der himmlische Friede wird am Sauerbraten scheitern. Oder an den Bohnen.
Vielleicht bekommt Daniela die Handauflage auch nicht?
Unschlüssig verharren die Finger in der Schwebe, bis sie, einem inneren Befehl gehorchend, den eigenen Gesäßmuskel geräuschdämpfend anheben. Es war nicht mehr zu ändern.
Heiterer Eros muß das verkraften!
Lukas wartet. Renate atmet ruhig.
Ist sie so schnell eingeschlafen, oder tut sie nur so?
Ohne Gewißheit zu erlangen, legt er die Hand wieder auf Danielas Bauch.
Narrisch g’freut hat sich Alois über die schottische Wolle, die weicher und wärmer ist als die alpenländische. Er war mit der Bäuerin im Sonntagsg’wand herübergekommen. Auch die Geschenke von Daniela und Renate haben die beiden narrisch g’freut, Kleinigkeiten ländlicher Art, eine dicke Bienenwachskerze, ein Trachtenbuch, ein alter Weinkrug und ein Korb voll Weihnachtsgebäck. Als die beiden sich ihrerseits bedankten, für die Stallaterne vor allem, blinzelte der Pacher. „Damit’s das Zu-Haus besser findets, jetzt wo’s fertig is.“ Und vom ländlichen Nachrichtendienst frisch versorgt, berichtete er, eine der beiden alten Damen vom Michlhof sei gestorben. Sie blieben nicht lang. Am Nachmittag würde Verwandtschaft erwartet.
Auch auf dem Bühlhof werden sie nicht allein bleiben. Überraschungsbesuche entfallen im Winter. Wer kommt, ist eingeladen oder hat das telefonisch selbst besorgt, wie der ehemalige Parteifreund und Abgeordnete Schnuckchen mit Gattin und Bamsen. Nach seinen Erkundigungen wegen der Straße kam Daniela nicht drum herum. Aber wenigstens erst zum Tee. Detlef kommt mit Familie zum Mittagessen, vielleicht sonst noch jemand. Auf jeden Fall wird’s viel schmutziges Geschirr geben. Feiertage mit Besuch sind auf dem Land Abspültage, erfährt Lukas beim Zwiebelschneiden.
Der erste Gast wurde laut verbellt — Martina. Mit ihr war immer zu rechnen. Nicht jedoch mit ihrer Freundin Lexa, einer Schauspielerin aus dem Fernsehen. Sie konnte nichts dafür, mitgeschleppt worden zu sein und überreichte ein Azaleenstöckchen. Den Hof fand sie echt stark! Für Lukas eine befremdende Wortwahl. Martina fühlt sich von Bella gestört, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Unterwegs zum Kondolenzbesuch auf dem Michlhof, versprach die Fernsehbäuerin, nicht lange zu bleiben. Sie wollte eigentlich nur Geschenke überbringen, okay? Damit rutschte sie auf die Eckbank, Lexa bewunderte den gedeckten Tisch und rutschte hinterher. Bella bellte weiter. Lukas mußte sie hinausbringen, doch mit Detlef und den Seinen kam sie wieder herein, jetzt gnädiger, weil Adrian mit ihr spielte. Dem heiteren Eros gemäß gab es eine umarmungsreiche, dabei unnötig laute Begrüßung. Mit Geschenken. Für Lukas im Gegenzug einen alten Cognac und von Georgia Manschettenknöpfe und einen goldenen Drehbleistift. Zum Zeichnen, wie sie meinte.
Statt der üblichen schweren Gans tischte Daniela eine leichte Reistafel auf. Im Gespräch hielten sich die Gastgeber zurück und ließen sich von der Fernsehbäuerin die Vorzüge des Landlebens erklären, wobei sie das Zu-Haus mit keinem Wort erwähnte. Ebenso ungesagt blieb die Schenkung aus der Heiligen Nacht. Da die geschulten Stimmen die Bank besetzt hielten, hatte Lukas den kürzesten Weg, als das Telefon klingelte. Er spielte den automatischen Anrufbeantworter: Die Herrschaften seien beim Essen, der Anrufer könne eine Nachricht hinterlassen. Jetzt.
Donicke war’s. Er habe ein Geschenk für seinen alten Freund, der jedoch nicht zu erreichen sei. Detlef lobte den Einfall als gutes Mittel gegen den Rücksichtsschwund durch Technik und bestritt fortan das Gespräch mit der Umgestaltung des Messnerhofs, bis zur Aufhebung der Tafel.
„Und ich hab’ ein Pferd bekommen!“ freute sich Adrian.
Zwischen den Mahlzeiten obliegt es dem Einfallsreichtum der ländlichen Gastgeber, sich durch Angebot reizvoller Abwechslung eine Verschnaufspause zu
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