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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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weitertragen lassen im Menschenstrom und lang mit dem britischen Konsul geplaudert — ein dekoratives Paar, herzlich-unverbindlich.
    Allmählich lockert sich die Menschenballung. Feierlich in der Haltung, sieht Alois sich die Bilder an, Gruppen stehen herum mit fragenden Blicken: Wohin gehen wir jetzt? Martina ist mit den Fernsehleuten verschwunden, ohne Tschüß, Der dekorative Konsul, Tini und Lipi verabschieden sich. Dabei taucht Lukas unversehens in Danielas Blick, der offenbar schon länger auf ihm ruht. „Na?“
    Er nickt. „Vor zehn Jahren hätt’ mich das alles gefreut...“ Schauspielern auf der Bühne nach dem letzten Vorhang vergleichbar, stehen sie plötzlich akustisch und atmosphärisch verlassen da.
    Georgia hängt sich an Lukas Arm. „Ein ganz großer Erfolg für dich! Sagt auch der britische Konsul.“
    Der Galerist schaltet Lichter ab. Er weiß ein Lokal in der Nähe. Detlef weiß eins weiter weg. Doch die Landladies schütteln die Köpfe. Sie müssen zurück. Oder tun sie nur so? Drei Schafe sollen krank sein, Bella ist allein, bei Alois wird ein Kalb erwartet. Auch Ellen will Hof und Hund nicht länger allein lassen. Gegen dieses Aufgebot an Kreatur sind Detlefs Überredungskünste machtlos.
    „Jaja, das Landleben!“ spottet der Galerist und löscht das letzte Licht.
    Eisiger Wind verkürzt den Abschied. Man trennt sich mit Bahnhofsätzen. Nur Alois läßt sich Zeit. „Interessant is’ g’wesen. Aber mein... Hauptsach war bei dir. Jetzt kommst wieder mal zu uns. Pfüat di!“ Die Städter und Lukas sind zum Ausklang unter sich. Eigentlich möchte er nach Hause, steigt aber bei Detlef und Georgia zu. Allein sitzt er hinten in der fremden Eheatmosphäre wie ein Gast, und wie ein Gast bedankt er sich bei beiden für alle Hilfe. Georgia verhält sich still, vielleicht wegen Detlefs Siegerlaune. „War eine gute Sache! Demnächst brauchen wir deinen Rat. Ich hab den Messnerhof gekauft.“
    „Alle Komplikationen behoben?“ Georgia merkt, daß er laut gedacht hat. Aber der Satz paßt. Auch sein zweifelnder Tonfall. Sie kommen über Straßen, die vor zehn Jahren in der Gegenrichtung offen waren, die Verwirrung endet überraschend.
    Das ausgesuchte Lokal an dem Platz ist kein anderes als seine ehemalige Stammkneipe, der späte schoppen, beim letzten Besuch late drink, jetzt weinschatulle .
    Lukas sagt es. Detlef wußte es.
    „Wir dachten, es freut dich“, sagte Georgia.
    Drüben in der Ecke, die gänzlich anders ist, viel kleiner als damals, hat er sein Zuhause gehabt, an Huberts Stammtisch mit dem gußeisernen Herold, von Kathi, der rundlichen Güte mütterlich umsorgt.
    „Na endlich!“ Die geschulte Stimme ist unverkennbar. Martina gehört mit zu Detlefs Inszenierung. Am neuen alten Tisch wird zusammengerückt, Lukas bekommt den Platz oben, als Ältester, gewissermaßen in Hubertnachfolge. Getränke sind schon da. Eingerahmt von Georgia und Martina möchte er am liebsten gleich wieder aufstehen und gehen, sich die Erinnerung nicht verwässern mit diesen Menschen, die alle auf der Vernissage waren. Alte Schauplätze soll man meiden. Alte Fotografien zeigen entzaubernde Realität genug.
    Wär’ wenigstens Daniela hier! Sie würde wie er empfinden. Renate war ja nie mit am Stammtisch. Hinter gefrorenem Lächeln kann er sich kaum im Zaum halten.
    Zu schnelle Schlucke zu süßen Weins helfen dämpfen. Und Schmeicheleien. „Du warst irre okay!“
    Verschlossen nimmt er wahr. Die Runde, altersgemäß von Wehrpflicht bis midlife crisis, ist schnell, witzig und wenn böse, dann gut. Wie früher. Nur anders. Wen man bliebe, ein möglicher Kreis. Bis jetzt der möglichste. Ohne Georgia allerdings, mit ihrer Friseurfrisur, ohne Martina, die wieder leicht überdreht vor sich hintändelt, weil sie sich als prominenter Mittelpunkt fühlt.
    Lukas nuckelt still und die beiden Frauen lassen ihn mit verstehenden Blicken in Ruhe. Ein Weilchen darf er müder Meister sein, der anschließend um so köstlichere Einfälle versprühen wird. Exklusiv für sie, aber so, daß es alle merken. Das macht sie locker von der Taille aufwärts, sie fühlen sich als femmes inspiratrices und bescheinigen ihm mit Augenspiel das gewisse Etwas, das sich herumspricht und viele Einladungen nach sich zieht, wo weitere Inspirieramateusen mit Hausmitteln versuchen werden, den angeblich amüsanten Mann in ihrer Nähe zu halten. Nach einer Saison ist er in der Regel durch.
    Lukas umgeht diese Rolle. Er wendet sich an die Männer.

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