Geständnisse eines graumelierten Herren
und es werde klappen. Er habe sich vom schottischen Fernsehen den Auftrag besorgt, die Sache mitzudrehen. Eine volle Stunde sei vorgesehen, der Sender übernehme die Kosten für die schottischen Teilnehmer.
Zur Verleihung der Kunstpreise nahm er Georgia mit und mußte sie beim Friseur abholen. Als mehr oder weniger Kulturschaffender war er neugierig, seine sozusagen offizielle Vertretung in ihrer Atmosphäre zu erleben. Unter gehäuften Kulturschaffenden fiel die gepflegte Frau an seiner Seite ungeistig auf. Doch es waren liebe Kulturmenschen, ohne Feinsinnsdünkel, eher ein wenig provinziell, wie auch der Rahmen, mehr Werkhalle als Versammlungsraum und vom Caché einer Konservendose.
Kann sich diese Stadt das leisten? Jedes Fabriknest hält da mehr auf Rahmen.
Der Kulturreferent hielt eine ausgezeichnete Rede, aus dem Stegreif, frei von der Begräbnisfeierlichkeit sonstiger Ehrungen, mit Buchsbäumchen und Streichquartett. Ellen war unter den Preisträgern, für die beste Buchillustration. Daher die Einladung. Sie gab sich ländlichstreng in Lederrock und Jahrhundertwendebluse. Daniela und Renate fehlten. Nach Laudatio, Auftritt der fünf Preisträger und Übergabe der Urkunden samt Scheck, Umtopfung in marmorkühle Halle, wo alte Kekse gereicht wurden, von jener Qualität, die schon Ludwig Ganghofer bei Kaiser Wilhelm II beanstandet hatte, dazu einen Möchte-gern-Müller-Thurgau, der allen schon nach einem Schluck derart schlechten Atem verschaffte, daß man eigentlich nur noch selber reden konnte. Dazu gab’s Musik. Zwei Seniorenjazzler spielten Evergreens aus der Swingaera. Zum Tanzen. Jetzt verstand Lukas. Keine Feierlichkeit, keine Kulinarik, nur Fußübungen gegen Kopflastigkeit. Es war das erstemal, daß er mit Georgia tanzte. Sie blieben bis zum Schluß.
Rhythmus setzt Wahrheit frei. Weil dem so ist, erfuhr Lukas anschließend im Eigentumsbeton hinter zugezogenen Vorhängen Weiteres über Georgias aparte Seite. Die äußerte sich in sehr bürgerlichen Wünschen. Erniedrigen möge er sie, wie eine Hure nehmen, sie beschimpfen, ihr Schmerz zufügen. Im Umgang mit Käuflichen unerfahren, bewirtete er sie nach Kräften mit Klischées, ohne des billigen Erfolgs froh zu werden.
Im Taxi auf der Rückfahrt von ihrer Wohnung seufzte es aus ihm: Die Rolle wird kompliziert! Ich bin ein zärtlicher Mensch und hab ein Recht auf eigene Triebgestaltung.
Wieder erwachte er früh. Wieder rief Daniela früh an.
„Renate und ich möchten dich fragen, ob du nicht mit uns Weihnachten feiern willst?“
Diesmal plant er minutiös. Das geht bis zum Start bei Dunkelheit. Zur üblichen Bescherungszeit wie auf eigener Privatstraße unterwegs, überkommt ihn unchristliche Kontemplation.
Es stimmt nicht, daß Weihnachten nur geordnete Verhältnisse stört und die Familienheuchelei fördert. Es kann auch Klarheit schaffen, grade bei Verhältnissen. Georgia und Detlef sind da, wo sie hingehören, nicht dort, wo sie sein möchten.
Bei Lukas wird es sich umgekehrt verhalten. Für Georgia hat er von der Antiquitätenmesse die kleine Taschenuhr an langer Goldkette besorgt und sie zusammen mit einer großen Flasche Single Malt Whisky für Detlef in die Wohnung geschickt. Für Daniela und Renate hat er sich ein ideelles Geschenk ausgedacht. In der überfüllten Stadt einzukaufen, war ihm zuwider. Um zusätzlich für weitere Schenkungen gerüstet zu sein, ist es ihm nach umständlicher Telefoniererei gelungen, drei Tüten bester Schafwolle in braun, grün und natur rechtzeitig aus Schottland herüberzubekommen. Samt dem Whisky. Eine alte Freundin bei der Caledonian airlines im Flughafen von Edinburgh hat alles besorgt. Der Captain, mit dem sie zusammenlebt, hat die weiche Fracht — auch dreißig Jahre alter Whisky ist weich — nach London geflogen, sie einer alten Freundin bei der bea nach Frankfurt mitgegeben, die dort einen neuen Freund hat, der für Weitertransporte sorgte.
Bei null Grad Celsius erfassen die Scheinwerfer Renate und Daniela am Bauerngärtchen. Sie hatten sich Sorgen gemacht, wie schön. Bella hüpft im Licht und bellt. Ohne Eckbank auf dem Dach kommt der späte Gast und wird erleichtert umarmt. Alle erfüllt komplikationslose Freude. Licht strahlt aus dem behäbigen Hof, die Luft ist würzig, in der Stube brennen am Christbaum die Kerzen. Umarmt gehen sie auf die Tür zu. Drinnen riecht es genußverheißend. Auf dem Weihnachtstisch fällt ihm unter allerlei Praktischem, auch Scheußlichem von Danielas Kunden,
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