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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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geschaffen, weil uns im Innersten klar war: Wir kommen nicht mehr voneinander los. Aus einem sehr einfachen Grund. Wir sind auf derselben Inkarnationsstufe und waren in früheren Leben alle schon miteinander verbunden — man kommt ja mal als Mann, mal als Frau. Ich habe euch ein gutes Dutzend Kinder geboren. Und ihr mir. So was bindet. Durch Jahrhunderte. Da diese Enwicklungsphase hinter uns liegt, sind wir aus dem Schlimmsten raus und reif für Trinität in heiterem Eros. Die Sache hat ungeahnte Vorteile — auch rein praktisch, fällt mir gerade ein. Zu dritt kann man sich nie so allein fühlen wie zu zweit. Die Egozentrik kommt auf ihre Kosten: Wer seine Ruhe haben will, muß keine Pflicht-Übungen machen, weil der Partner sich sonst langweilt. Psychisch ist Dreisamkeit hygienischer: Jeder nimmt sich mehr zusammen, weil er fürchten muß, von den beiden andern isoliert zu werden, wenn er sich gehen läßt. Im Krankheitsfall können die Pfleger einander ablösen. Umbetten zum Beispiel ist zu zweit einfacher. Am wichtigsten ist der Dritte bei Streitigkeiten, — als Katalysator und Vermittler. Und stirbt einer — vergessen wir das nicht — , ist geteiltes Leid nur halbes Leid! Es sind immer noch zwei da...“
    „Du hättest Vertreter werden sollen!“
    Renate lachte laut, Daniela versonnen. Gleichnishaft erinnerte sie ihn an gemeinsame Ferien in jenem Haus am See, mit der ganzen Clique, wo ein Mädchen die Harmonie gestört hatte. Schon damals habe er sich als Bettredner bei den Frauen betätigt. Ein Satz von ihm war ihr unvergessen: Vollendung beginnt bei fünfunddreißig!
    „Na bitte.“ Vollgefressen klang es triumphierend.
    Die Vollendeten reichten ihm die Champagnerflasche. Nach überschäumendem Schluck kletterte er eilig aus dem Bett und verneigte sich förmlich. „Hiermit bitte ich euch geziemend um eure Hände für eine Josephsehe zu dritt!“
    „Wir sagen höchstens vielleicht“, alberte Daniela. Ihre Hände holte er sich selber zu besiegelndem Druck. „Damit sind wir Frauen und Mann.“
    Er ließ sie los, begann gemächlich sein Hemd auszuziehen, hängte es über einen Stuhl, öffnete den Gürtel, den Hosenbund.
    „Was wird denn das für ein Krippenspiel?“
    Verwundert sah er Renate an, wie die beiden ihn. „Ja los! Die Hochzeitsnacht beginnt. Zieht euch aus! Ihr sollt es nicht bereuen. Ich werde stark sein wie ein Bär. Im Charakter. Das andere kennen wir ja...“
    Telefonklingeln gab der Szene zunächst Schwankcharakter. Die Vollendeten eilten hinaus. Renate hinüber in die Stube, Daniela die Treppe hinauf. Der Übergefüllte ließ sich Zeit mit Garderobe, Bett und Champagner. Auf Knarzen einer Diele oben trat er hinaus in den Flez, nahm Daniela im langen Nachhemd von der Treppe auf die Arme und trug sie über die Schwelle. Als er die etwas leichtere Renate hineintrug, bestellte sie Grüße von Detlef und Georgia. Mit bestem Dank legte er sie aufs Bett und stieg, in seinem heiteren Eros unbeeinträchtigt, über sie hinweg in die Mitte.
    Bella hatte unter dem Stubentisch geschlafen. Jetzt kam sie herüber, die Tür stand offen. Nach längerem Blick wedelte sie ihren Segen und legte sich auf Zureden in ihr Körbchen im Flez.
    Renate war noch einmal aufgestanden und hatte die Tür geschlossen. Ungewohnte Bettgewohnheiten griffen Platz. Zurechtklopfen von Daunen, Ziehübungen an der Decke, Legeproben, dazu Albernheiten.
    „Wollen wir uns mal vom Schlaf überraschen lassen“, sagte Renate, und Lukas scherzte ohne Echo, „hoffentlich läßt uns der Sauerbraten.“
    Daniela hatte das Licht gelöscht. Im Dunkel wirkte die Konzentration plötzlich beklemmend. Ein wenig feierlich, ein wenig aufgeregt und flach atmend lagen sie minutenlang nebeneinander. Dann drehten sich die beiden energisch zur Seite. Lukas blieb auf dem Rücken, hilflos, wie ein Maikäfer. Hab ich doch was übersehen? Zu dritt kann man sich noch einsamer fühlen als zu zweit. Verrückt. Aber die einzige Lösung. Ohne den Spießertraum vom Mann mit zwei Frauen. Schenken die mir das Zu-Haus! Es soll sein. Hätt’ ich’s sonst somnambul ausgebaut? Stadtwohnung haben wir auch. Ein Leben in Güterballung. Wie sie atmen und mich wärmen. Meine Familie.
    In deutscher Kaiser-Lage hält er die Hände nicht über dem Schwert gefaltet. Die Arme unter ihren Hälsen durchgefädelt, umschließen sie je einen Reichsapfel. Doch es ist ein Kreuz mit dem heiteren Eros, denn ebendieses schmerzt ihn alsbald. Er verspürt das Bedürfnis, sich auf

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