Geständnisse eines graumelierten Herren
Jetzt redet er, läßt Blickwinkel blitzen, frönt seinem Spaß an pointierten Formulierungen. Manches Thema bleibt so auf der Strecke. Doch er hat die Lacher auf seiner Seite. Detlef zahlt bereits. Mitten in launiger Schilderung verabschieden sich die übersehenen Frauen. Tschüß ohne Küßchen.
Lukas bleibt bei dem zu süßen Wein und lebt sich zunehmend im Alleingang aus. Bevor er sich langweilt, hört er lieber, und gerade hier, seine eigenen alten Geschichten. Doch die leichten Jahre sind vorbei, die Jüngeren wollen diskutieren und werden politisch. Anfangs pointiert er wacker weiter, bis er an den Gesichtern abliest, daß er überholte Ansichten und Beispiele gibt. Sein Beweispersonal lebt nicht mehr. Alter oder Abwesenheit?
Die Antwort sucht er im Glas. Stehend freihändig gelingt ihm mit gewichtiger Zunge eine letzte Leichtigkeit, dann ist das Taxi da.
„Nach Schottland bitte!“
Flugzeugstarts zwischen sieben und acht Uhr verfehlten ihre störende Wirkung, ebenso das Hochjagen von Motoren aus der Tiefgarage. Wie immer nach langen Nächten, erwachte Lukas früh. Daniela schien das zu wissen, sonst würde sie später anrufen. Sie wußte überhaupt alles. Das ermunterte ihn, ihr alles noch einmal zu erzählen. Daniela konnte zuhören, ohne seine gescheiterte Beschwörung des genius loci, seine Geschwätzigkeit, oder den erschreckenden Abstand zu Land und Gegenwart, umgehend zu kommentieren.
„Du hast einen Kater. Beweg dich an der frischen Luft!“ empfahl sie ihm.
Beim Frühstück, mit Teewasser aus dem Brunnen, gab er ihr recht. Zu weiterem Gedankenordnen kam es indes nicht.
„Sie haben einen Gasanschluß!“ behauptete der ungeduldige Kling-ler an der Tür und hatte als Beamter ein Recht auf Mißtrauen. Er glaubte dem Wohnungsinhaber nicht, durfte sich Zutritt verschaffen, um eigenäugig festzustellen, daß tatsächlich keiner da war. Darauf Abgang ohne Entschuldigung oder gar Gruß.
Der kurz darauf klingelnde Briefträger trat humaner auf. Das amtlich übergebene Einschreiben kam vom Anwalt des Nachbarn. Wie der Architekt versichere, könne der offene Kamin durch unsachgemäße Vergrößerung des Feuerlochs im Zug beeinträchtigt und damit zu übermäßiger Rauchentwicklung gebracht werden. Verantwortlich dafür sei allein der Wohnungsinhaber, der hiermit aufgefordert werde, von weiterer Benutzung des veränderten Kamins abzusehen, widrigenfalls geeignete Schritte gegen ihn eingeleitet werden müßten.
Lukas trat auf die Terrasse und atmete tief.
Hm. Der Kamin ist besser als der Architekt. Durch meine Schuld. Damit bin ich im Unrecht. Der Nachbar hat ein Recht auf Unfrieden. Und in diesem Schwingungsfeld soll mir was einfallen? Abstand. Zum five o’clock könnt’ ich in Edinburgh sein...
Beim nächsten Anruf meldete er sich kühl mit Namen.
Ein vergnügter Detlef erinnerte ihn an den noch nicht verdauten Abend. Lukas sei ja in Hochform gewesen. Heute nun brauche er seinen Rat in Sachen Einrichtung des Messnerhofs. Er beabsichtige ihn auf die Bauernmöbel-Antiquitätenmesse mitzunehmen. Am besten gleich.
Stumm gab Lukas nach. Schon weil Detlef aufgelegt hatte.
Ach ja! Widerstand ist zu anstrengend, um ihn an Nichtigkeiten zu vergeuden. Sollte ich aber noch einmal auf die Welt kommen, dann möglichst nicht mehr sensibel...
„Hallo Meister!“ Munter-geschäftig empfing ihn Georgia im Wagen. „Hier sind die ersten Kritiken!“ Ohne ein Wort über den Abend zu verlieren, reichte sie ihm Zeitungen. Der Männchenmaler, wieder hinten als Gast, kam nicht sehr gut dabei weg. Nett, lieb, ohne Biß, schrieb eine Kritikerin.
„Das ist für einen Neuen in dieser Stadt ausgezeichnet!“ wußte Georgia. Sie wußte es von Damen, die so was wußten. Für morgen würden noch zwei wichtige Besprechungen erwartet.
In einem großen Saalbau mit Galerie hatten die Kleinen der Branche ausgestellt. Beim Duft von Holz mit Schicksal atmete Lukas auf.
Detlef kaufte unbeschwert, Schränke, Eckbank, Tische, Aufsatzkommoden, Standuhr, Betten, Truhen, Wiegen, Stühle, Geschirr, Vorhänge und ein Kanapee. Georgia sah sich anderweitig um. An einer Vitrine mit alten Taschenuhren, Schnupftabakdosen und Silberknöpfen sagte sie’s Lukas.
„Der Hof ist seine Sache. Ich bleib in der Stadtwohnung. Schon wegen Adrians Schule.“ Den wichtigsten Satz sagte nur ihr Blick: Und wegen dir!
Siebenundzwanzig Zeichnungen seien bereits verkauft, berichtete der Galerist. Colin rief aus Edinburgh an. Die Idee sei großartig
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