Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig
wissen, der sich offensichtlich verscheißert fühlt. Nur mit Mühe gelingt es meiner Frau, ihn davon zu überzeugen, dass ich ihn nicht gemeint haben könne und dass wir jetzt alle zu einer Beerdigung müssten.
Jussip nickt heftig, schürzt die Lippen und sagt: »Amen!«
»Also alle, die mit der Demonstration nichts zu tun haben, verschwinden jetzt hier!«
Man glaubt nicht, wie schnell wir, mitsamt Daniel, im Auto sitzen und wegfahren. Zurück bleiben die Nüsselschweif und zwei Handvoll Neugieriger.
Vor uns liegt die Beisetzung der Urne des Herrn Olugulade.
Gemeinsam laufen wir zum Friedhof. Vornweg meine Frau, Pastor Brentzinger und ich, dahinter Frau Olugulade mit den beiden Kindern, und daran schließt sich die kleine Trauergesellschaft an. Der Weg ist nicht weit, und der Friedhofswärter sieht uns schon kommen. Er hatte sich inzwischen für eine Kombination aus grauer Uniformhose und grüner Arbeitsjacke entschieden, und bis wir bei ihm sind, hat er sich einen grauen Kittel übergezogen und seine amtliche Schirmmütze aufgesetzt. Die Urne mit der Asche des Verstorbenen hält er unter dem Arm, als würde er ein Ferkel zu Markte tragen.
Ich schaue ihn an, ziehe die Augenbrauen hoch und gebe ihm ein kleines Zeichen, woraufhin er sich nun wenigstens die Urne mit beiden Händen vor die Brust drückt. Wir warten noch einen kleinen Moment, bis sich der alte Herr Pastor umgezogen hat. Schon vor Tagen hatte er von sich aus angefragt, ob er die Urnenbeisetzung übernehmen solle, und den ganzen Vormittag auf unseren Anruf gewartet. Jetzt ist er schon etwas schläfrig, aber guter Dinge.
Der Friedhofsverwalter geht mit der Urne vor der Brust neben Pfarrer Brentzinger vor uns her, und wir anderen folgen ihnen. Der Weg bis zum Grab an der Mauer ist nicht sehr lang, aber der Friedhofswärter biegt zweimal unnötig ab, dadurch stehen wir aber alle schön in Reih und Glied, als die kurze Zeremonie beginnt.
Wir vom Bestattungshaus halten uns im Hintergrund, am Grab stehen die wenigen Leute, die gekommen sind, und der Pfarrer betet, spricht der Familie in einer kurzen Ansprache Trost aus, und dann kommt der Moment, in dem der Friedhofsverwalter die Urne in das kleine Loch gleiten lässt.
Frau Olugulade schluchzt auf, und die Frauen neben ihr haben ihre liebe Mühe, sie etwas zu beruhigen. Daniel steht da und dreht verlegen sein Nelkensträußchen in den Händen. Ich trete vor, gebe ihm einen kleinen Stupser und nicke in Richtung Grab. Er versteht, geht die paar Schritte, schaut neugierig in das Loch und legt die Nelken daneben.
Das war sie, die Urnenbeisetzung des Herrn Olugulade, schmucklos, kurz und kalt, wäre da nicht Jussip gewesen.
Er beginnt erst zu summen, dann singt er mit voller, tiefer Stimme ein Lied in einer Sprache, die ich nicht kenne. Langsam, ergriffen und mit geschlossenen Augen singt er Strophe um Strophe. Im wahrsten Sinne des Wortes ist außer dem Gesang nur Totenstille. Als er fertig ist, wischen sich alle ein paar Tränen aus den Augen.
Nach der Beisetzung erzählt uns Daniel, was während seines Verschwindens wirklich passiert war; dass er aus völlig freien Stücken losgelaufen sei, um Blumen für seinen Papa zu kaufen, und bei dieser Gelegenheit sei er der Birnbaumer geradewegs in die Arme gelaufen. Die habe für den Morgen einen Pressetermin gehabt und hatte nun nichts anderes im Sinn, als den kleinen Schwarzen zu diesem Termin mitzunehmen.
Dass der Junge dadurch beinahe die Beisetzung seines eigenen Vaters verpasst hätte, juckte die Dicke einfach nicht. Das tat sie mit einem stirnrunzelnden »Das glauben Sie ja wohl selbst nicht!« ab, als ich sie zwei Tage später deswegen zur Rede stelle und ihr Vorhaltungen mache.
Ich hätte das alles auch einem Eimer Elbewasser erzählen können, so wirkungslos verpuffte das. Anders gesagt: Eher hätte ich das Elbewasser dazu überreden können, aus dem Eimer in den Fluss zu hüpfen und gegen die Strömung zu fließen, als dass die Birnbaumer-Nüsselschweif auch nur im Geringsten darauf reagiert hätte.
Wenn man diese Frau einmal erlebt hat, dann weiß man, dass die einem sowieso nie zuhört. Besonders einfallsreich und eloquent ist sie nämlich nicht, redet aber dennoch unablässig, wenn es sein muss. Wenn ich ihr etwas sage, dann merke ich, dass sie mir in den seltensten Fällen überhaupt zuhört, viel zu sehr ist sie schon mit dem nächsten ihrer Sätze beschäftigt, kann kaum abwarten, bis man fertig ist, und plappert dann drauflos. Meistens
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