Gestohlene Leidenschaft
Khalis, wie er hinsichtlich der Schatzkammer vorgehen sollte. Seit einer Woche versuchte er nun, sich einen Überblick über die Vermögenswerte seines verstorbenen Vaters zu verschaffen, von denen fraglos viele auf illegalem Weg den Besitzer gewechselt hatten.
Draußen glitzerte einladend das Mittelmeer in strahlendem Sonnenschein, doch für Khalis war die Insel alles andere als paradiesisch. Hier hatte er einen Teil seiner Kindheit verbracht. Und hier fühlte er sich heute wie ein Gefangener. Das lag nicht allein an den hoch aufragenden, mit Glassplittern und Stacheldraht gekrönten Schutzmauern, die das komplette Anwesen umgaben, sondern auch an seinen Erinnerungen. Tiefe Verzweiflung hatte ihn damals bewogen, aus diesem Gefängnis auszubrechen. Vor seinem geistigen Auge tauchte Jamilah auf, wie sie ihm todunglücklich zum letzten Mal nachwinkte.
Lass mich hier nicht allein zurück, Khalis.
Ich hole dich bald aus dieser Festung, Jamilah. Versprochen.
Verzweifelt verscheuchte er die schmerzliche Erinnerung – wie so oft in den vergangenen fünfzehn Jahren. Er musste damals gehen und hatte keine andere Wahl gehabt. Nur die Folgen seines Handelns hatte er leider nicht bedacht.
„Khalis?“
Eric betrat das Büro und wartete auf Anweisungen. In T-Shirt und Surfershorts wirkte er sogar hier auf Alhaja wie ein kalifornischer Beachboy. Hinter dem lässigen Äußeren verbargen sich ein blitzgescheiter Verstand und eine Computerfertigkeit, die der von Khalis in nichts nachstand.
„Wir müssen so schnell wie möglich einen Kunstsachverständigen einfliegen lassen, Eric. Möglichst den besten, der auf dem Markt verfügbar ist. Und er muss sich auf Renaissancegemälde spezialisiert haben.“
„Willst du damit sagen, dass in dem Tresorraum Gemälde lagern?“, fragte Eric erstaunt und beeindruckt zugleich.
„Ja. Wenn mich nicht alles täuscht, hängen da unten Millionenwerte.“ Ausdruckslos betrachtete er die Liste der Vermögenswerte, die er bereits zusammengestellt hatte: Immobilien, Technologie, Investitionen, Beteiligungen an Regierungsprojekten und so weiter. Tannous Enterprises hatte seine schmutzigen Finger überall drin. Wie verwandelt man einen Konzern mit einem so anrüchigen Ruf in ein mustergültig operierendes Unternehmen? Diese Frage stellte Khalis sich nicht zum ersten Mal.
Es war ein Ding der Unmöglichkeit!
„Khalis?“ Eric hakte nach.
„Organisiere einen Kunstsachverständigen, und lass ihn auf die Insel bringen! Und diskret, wenn ich bitten darf.“
„In Ordnung. Und was passiert mit den Gemälden, nachdem sie begutachtet worden sind?“
Khalis lächelte bitter. „Dann trenne ich mich von ihnen.“ Mit gestohlenen Kunstwerken wollte er nichts zu tun haben. „Und wir informieren die Justiz. Ich möchte vermeiden, dass Interpol hier herumschnüffelt.“
Eric pfiff leise durch die Zähne. „Das ist ja alles ein ziemlicher Schlamassel.“
„Das, werter Eric, ist die Untertreibung des Jahrhunderts.“
„Ich kümmere mich sofort um einen Experten.“
„Tu das. Je eher wir dieses Problem gelöst haben, desto besser.“
„Befürchtest du, die Gemälde könnten gestohlen werden?“ Eric sah ihn überrascht an. „Wohin könnte man sie denn bringen?“
„Keine Ahnung. Aber ich traue hier niemandem über den Weg.“
Sein Freund kniff die blauen Augen zusammen. „Man hat dir hier ganz schön übel mitgespielt, oder?“
„Ich war hier mal zuhause“, erklärte Khalis ausweichend, widmete sich demonstrativ wieder seiner Arbeit und hörte, wie Eric leise die Tür hinter sich schloss.
„Ein Sonderauftrag für unsere Mona Lisa.“
„Sehr witzig.“ Grace Turner drehte sich auf ihrem Bürosessel um und musterte David Sparling, einer ihrer Kollegen bei Axis Art Insurers und Spezialist für Picasso-Fälschungen. „Worum geht es denn?“ Sie dachte gar nicht daran, nach dem Blatt Papier zu schnappen, das er vor ihrer Nase baumeln ließ. Stattdessen lächelte sie nur kühl.
„Dieses Lächeln!“ David grinste zufrieden. Den Spitznamen Mona Lisa hatte Grace gleich nach ihrer Einstellung bei Axis bekommen. Nicht nur wegen ihres Lächelns, sondern auch weil sie eine ausgewiesene Expertin für Renaissancekunst war. „Jemand benötigt dringend einen Sachverständigen für die Bewertung einer Privatsammlung. Genauer gesagt wird jemand gesucht, der sich auf Renaissancekunst spezialisiert hat.“
„Tatsächlich?“ Grace ließ sich ihr Interesse nicht anmerken.
„Tatsächlich.“
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