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Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Titel: Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Harvey
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Hilda selbst – in einem schlechten Licht hatte dastehen lassen. Wenn sie sich unbemerkt von ihnen aus dem Haus schleichen konnte, würden Banditen das umgekehrt vielleicht auch tun können.
    Womöglich argwöhnte Hilda aber auch, dass Thorir gar nicht geschlafen hatte, sondern von Bera dafür »bezahlt« worden war wegzusehen. Dabei konnte Bera ihr nicht einmal sagen, dass sie lieber Säure trinken würde, als sich mit Thorir einzulassen. Hilda hätte ihr ohnehin nicht geglaubt und stattdessen behauptet, das Steingrab auf dem Hügel sei der schlagende Beweis dafür, dass Bera es mit jedem Mann treiben würde.
    Am nächsten Tag redete während des Frühstücks in der Küche niemand mit Bera, aber das war nicht ungewöhnlich. Sie hatte es geschafft, nicht über die schlafenden Kinder oder Knechte und Mägde zu stolpern, also war niemand wütend auf sie – jedenfalls nicht wütender als sonst.
    Alle zehn Enkel Ragnars, vom kleinsten Säugling bis zu dem achtjährigen Toti, Hildas ältestem Kind, saßen um einen riesigen Tisch herum, der vor Jahrhunderten von Nanobots so gestaltet worden war, dass er wie aus Eichenholz gemacht aussah. Die Zeit hatte ihre Spuren in Form von Flecken und Kratzern in ihm hinterlassen.
    Bera und die anderen Frauen eilten mit Töpfen und Tellern zwischen dem Tisch und dem großen Herd hin und her, während die Männer draußen wie üblich nach den Herden sahen.
    Alle außer Yngi, klar. Bera hatte ihn bereits mit dem ersten Sonnenlicht gesehen, als der Horizont von Gamasol wie mit einem Suchscheinwerfer erhellt worden war. Sie hatte sich einmal mehr ins Freie geschlichen, um Brynja heimlich wieder an dem Wasserhahn festzubinden. Ein paar Eispfützen waren unter den Sonnenstrahlen halb aufgetaut und hinterließen schmutzig braune Flecken in Brynjas weißem Fell. Der Welpe kläffte leise, als Bera ihn zurückließ, aber sie lief schnell davon und war schon wieder im Haus verschwunden, bevor irgendjemand etwas bemerkt hatte … hoffte sie wenigstens.
    Jetzt wartete sie darauf, dass die Schüssel mit Haferbrei bei ihr ankam. Nachdem alle anderen sich bedient hatten, kratzte Bera die letzten Reste des dünnen wässrigen Breis aus der Schüssel. Sie war noch nicht damit fertig, als Thorbjorg sie fragte: »Warum leckst du nicht gleich auch noch das Muster von deinem Teller?«
    Beras Gesicht brannte, aber sie verzichtete darauf, Ragnars jüngerer Schwiegertochter zu antworten. Thorbjorg war gerade einmal vier Jahre älter als sie, so hübsch wie Bera unscheinbar war, und sie setzte ihre Sinnlichkeit gegenüber den Männern wie eine Waffe ein. Außerdem war sie verheiratet und damit respektabel.
    »Na?«, hakte sie nach.
    »Der Teller hat kein Muster«, murmelte Bera.
    Thorbjorg lachte krähend. »Nein, hat er nicht, was? Wahrscheinlich jetzt nicht mehr, weil du es gestern schon abgeleckt hast. Vielleicht würden deine Titten endlich austrocknen, wenn du nicht ein derart gieriges Schwein wärst. Es ist ja wirklich nicht so, als würdest du die Milch noch brauchen.«
    Bera schloss die Augen und ballte die Hände so fest zu Fäusten, dass sich ihr die Fingernägel tief in die Handflächen bohrten.
    Hilda schien mitzubekommen, wie sehr Thorbjorgs Worte Bera wehtaten, und wenn es unter den Frauen eine gab, die ihren Schmerz nachvollziehen konnte, dann war sie es – besonders nachdem der Arzt ihr mitgeteilt hatte, dass jede weitere Schwangerschaft lebensgefährlich für sie sein würde. »Das reicht«, sagte sie. »Heb dir deine geistreichen Bemerkungen für später auf, Thorbjorg.«
    Wie üblich flüchtete sich Bera in einen Tagtraum. Vielleicht fand sie irgendeinen Weg, es Thorbjorg heimzuzahlen. Hilda hatte ihr leidgetan, als sie die anderen darüber hatte reden hören: gerade einmal 27 Jahre alt und nach der Geburt von nur zwei Kindern bereits unfruchtbar.
    »Wie sollen wir diese große leere Welt bevölkern, wenn wir nur zwei Kinder bekommen können?«, hatte Thorbjorg in Anbetracht ihres Zuchtkuhstatus selbstgefällig gefragt, und Bera hasste sie stellvertretend für Hilda dafür. Fünffache Mutter mit gerade einmal 21 Jahren. In Yngis Kopf mochte gähnende Leere herrschen, aber sein Samen war äußerst fruchtbar – sofern es denn seiner war, der unablässig in Thorbjorgs Leib heranwuchs. Thorbjorg flirtete ständig mit dem alten Ragnar; ihre Berührungen und Umarmungen hatten etwas Besitzergreifendes.
    Bera wünschte, Thorbjorg hätte statt Hilda eine Fehlgeburt erlitten. Nachdem die anderen sie

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