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Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Titel: Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Harvey
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wie alles andere auf Isheimur war auch das Namensrecht hier festen Regeln unterworfen. Bera fragte sich, wie es sein mochte, auf einer Welt zu leben, die sich nie vom Rest der Menschheit abgesondert hatte, die nie von einem – verglichen mit dem Rest der Galaxis – scheinbar verrückten Drang getrieben worden war, eine andere Sprache zu sprechen und an alten Sitten und Gebräuchen festzuhalten. Wie mochte es wohl sein, einfach den Namen anzunehmen, den man haben wollte, sich zu kleiden, wie es einem gefiel, zu tun, wonach einem zumute war …?
    »Was ist das denn?«, erkundigte sich Hilda, während sie auf eine Trage deutete, die von den beiden Pferden der Pachtbauern gezogen wurde.
    »Hast du den Lärm letzte Nacht gehört?«, fragte Ragnar. »Ein Meteorit war ganz in der Nähe unseres Lagers eingeschlagen. Es hat sich so angehört, als wäre ein kleiner Vulkan ausgebrochen, also sind wir hingelaufen, um nachzusehen. Hat uns eine halbe Stunde gekostet. Als wir da angekommen sind, haben wir nur diesen Burschen im Schnee gefunden.« Er deutete auf die Tragbahre.
    Bera kam ein paar Schritte näher, um einen Blick auf den Fremden zu werfen, und keuchte unterdrückt auf. Der Mann, der reglos auf dem Transportschlitten lag, war völlig nackt, seine Haut hatte einen derart dunklen Kupferton, dass sie fast schon purpurrot wirkte, und seine breite Brust hob und senkte sich unter unregelmäßigen Atemzügen. Abgesehen davon gab er keinerlei Lebenszeichen von sich. Seine Augen waren geschlossen. Bera hatte noch nie einen Mann mit derart präzise definierten Muskeln gesehen, so straff und sehnig, dass es ihr den Atem raubte. Das Gesicht unter dem kahl rasierten Schädel war ebenso eindrucksvoll mit den wie von einem Bildhauer gemeißelten Wangenknochen und seiner nahezu unmenschlich anmutenden Symmetrie. Ihr Blick wanderte an seinem Körper abwärts. Sie errötete, sah kurz weg und betrachtete seinen Unterleib dann erneut. Es war ein ohne jeden Zweifel beeindruckender Anblick. Trotzdem zwang sie sich, ihre Aufmerksamkeit auf die Schienen an seinen Beinen zu richten.
    »Wir müssen ihn zudecken!«, sagte Ragnars ältere Schwiegertochter Asgerd und streckte die Hand nach der Decke eines Pferdes aus. »Sein Anblick erschreckt die Kinder!«
    Ragnar hob eine Hand und brachte seine Schwiegertochter zum Schweigen. »Man darf solche Brandwunden nicht abdecken.« Er deutete auf den Unterleib und die unverkennbar gebrochenen Beine des Mannes, die vor ihrer schweren Verletzung lang, stark und muskulös gewesen sein mussten.
    Es fiel Bera nicht ganz leicht, ihre Aufmerksamkeit wieder auf Ragnar zu richten und ihm zuzuhören. »Er hat geschrien und sich im Schnee herumgewälzt. Wir konnten ihn nicht einfach so zurücklassen. Ich hatte die Wahl, ihn entweder zu töten – und habe es nicht fertiggebracht, ihm kaltblütig das Genick zu brechen – oder ihn mit uns nach Hause zu nehmen.«
    »Können wir denn von unserem Essen überhaupt etwas für ihn abzweigen?«, fragte Asgerd, die dünnen Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst, was so viel hieß wie: Nein, können wir nicht.
    »Das müsst ihr mir sagen«, erwiderte Ragnar mit einer Handbewegung, die auch Hilda und Thorbjorg mit einschloss. »Schließlich fällt die Haushaltsführung in euren Verantwortungsbereich. Ich würde nicht mal im Traum daran denken, mich in eure Domäne einzumischen.«
    Was du nicht sagst, dachte Bera ironisch. In Wirklichkeit zögerte Ragnar nie, genau das zu tun, wenn er es für nötig erachtete.
    »Natürlich können wir das, Herr.« Wie immer hatte Thorbjorg ein untrügliches Gespür dafür, aus welcher Richtung der Wind wehte, und so gab sie Ragnar genau die Antwort, von der sie glaubte, dass er sie erwartete.
    Ein Lächeln hellte sein finsteres Gesicht auf. Er rieb sich die Hände. »Dann wäre das also geklärt.«
    »Woher wissen wir, dass er kein Vagabund ist?«, fragte Asgerd.
    »Darüber haben wir uns zuerst auch Gedanken gemacht«, erwiderte Ragnar. »Wir waren fast schon bereit, ihn seinem Schicksal zu überlassen, bis Bjarney darauf hingewiesen hat, dass ein Vagabund, der sich widerrechtlich auf fremdem Land aufhält, zur Fronarbeit gezwungen werden kann, sobald er sich wieder erholt.« Er zuckte die Achseln. »Und wenn er nicht überlebt, wird er uns auch nichts wegessen.«
    »Hmmpf«, machte Hilda abfällig, verzichtete aber darauf, ihrem Vater zu widersprechen.
    »Komisch«, fügte Ragnar hinzu, »dass der Schnee um ihn herum blau

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