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Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Titel: Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Harvey
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allein gelassen hatten, war sie in Hildas Zimmer gegangen und hatte gefragt: »Gibt es irgendetwas, das ich tun kann, Hilda? Es tut mir so leid, von deinem …« Sie war mitten im Satz verstummt, unsicher, welches Wort angemessen gewesen wäre. Verlust? Das klang zu harmlos. Fehlgeburt? Zu klinisch. Also hatte sie den Satz unbeendet gelassen.
    Doch Hilda schien sie trotzdem verstanden zu haben und hatte den Kopf geschüttelt. »Ich möchte einfach nur allein sein.«
    Das war die letzte halbwegs zivilisierte Unterhaltung gewesen, die sie geführt hatten. Zwischen ihnen hatte nie so etwas wie Freundschaft bestanden, aber solange sich Bera Ragnars ältester Tochter gegenüber angemessen unterwürfig verhalten hatte, waren sie ohne Feindseligkeit miteinander ausgekommen. Doch schon einen Monat später, zwei Monate nach dem Frühjahrsmarktfest, war Beras Periode ausgeblieben, und kurz darauf hatte sie gewusst, dass sie schwanger war. Dass sie sich weigerte zu verraten, wer der Vater war, bedeutete, dass keinem anderen Haus gegenüber irgendwelche Ansprüche geltend gemacht werden konnten. Und in den Augen der anderen hatte sie damit praktisch zugegeben, dass sie bereit war, sich jedem beliebigen Mann hinzugeben.
    »Bera!«, riss Hilda sie zur Belustigung der anderen laut stark aus ihren Gedanken.
    »Schon wieder Tagträume«, sagte Toti. Wie die meisten Kinder hatte er ein untrügliches Gespür dafür, wer am besten als Ziel für Spott und Hohn taugte. »Bera hat Tagträume«, trällerte er. »Bera träumt von ihrem Freund!«
    »Das reicht jetzt, kleiner Mann!«, ermahnt Hilda ihn. »Hör auf damit, oder ich streiche deine Zeit beim Orakel!«
    »Entschuldigung.« Bera begab sich zum Waschbecken, um die Töpfe abzuspülen, ohne erst die Aufforderung dazu abzuwarten.
    »Du wirst heute die Wäsche waschen«, sagte Hilda und fuhr mit gesenkter Stimme fort: »Ich habe niemandem von deinem nächtlichen Ausflug erzählt, aber das werde ich, sollte das noch einmal passieren. Wir können es uns nicht leisten, den Hof draußen zu heizen.«
    »Aber ich habe doch die Tür hinter mir sofort zugezogen!«
    »Und wir hätten eine Suchmannschaft losschicken müssen, wenn du von Räubern entführt worden wärst«, fügte Hilda hinzu. »Du bist so was von selbstsüchtig, Bera!«
    Bera verschluckte die bissige Erwiderung, dass sie garantiert die Letzte war, die man zu retten versuchen würde, sollte sie von Banditen, von Trollen oder von Gestaltwandlern geraubt werden.
    Später, als sie die große Blechwanne mit der schmutzi gen Wäsche füllte und heißes Wasser hineinlaufen ließ, fiel ihr auf, wie merkwürdig es war, dass die Gestaltwandler stets im gleichen Atemzug mit Trollen, Banditen, Snolpelzen und anderen Raubtieren genannt wurden. Dabei waren sie so selten, dass niemand – sofern Bera es beurteilen konnte – jemals nachweislich von ihnen angegriffen worden war. Vielleicht würde sie ein paar Nachforschungen dazu anstellen, falls es ihr später gelang, fünf Minuten Zeit beim Orakel zu bekommen.
    Sie schaffte es gerade noch, den Wasserhahn zuzudrehen, bevor das kochend heiße Wasser über den Rand der Wanne laufen konnte. Trotz Hildas Schimpftiraden herrschte in Skorradalur wirklich kein Mangel an Erdwärme und heißem Wasser. Es war schon eine Schande, dass sie laut Aussage des Orakels nicht länger über die Mittel verfügten, Isheimurs grenzenlos vorhandene schwache Thermalenergie zu einer Form von ausgewachsenem Vulkanismus zu steigern.
    Bera war es gewohnt, per Hand zu waschen. Schon als sie damals aus dem Norden gekommen war, waren der Farm endgültig die letzten Ersatzteile für die uralte Waschmaschine ausgegangen, und die Norns weigerten sich, derartige Bauteile als lebenswichtig zu betrachten, weshalb sich alle entsprechenden Anfragen über das Orakel als vergebens erwiesen hatten. Aber sie hasste es, dass das Wäschewaschen die Haut ihrer Hände rissig werden ließ, und vom anstrengenden Auswringen der nassen Kleidungsstücke schmerzten ihr die Arme und die Schultern. Trotzdem blieb ihr nichts anderes übrig, als unter Aufbringung all ihrer Kraft die triefenden Blusen und Hemden in die Mangel zu hieven, die Rollen zu fixieren und die Kurbel zu drehen, nachdem sie den anfänglichen Widerstand überwunden hatte.
    »Möchtest du, dass ich dir helfe?«, erklang eine Stimme hinter ihr.
    Sie zuckte zusammen und drehte sich um. »Oh, Yngi, hast du mich erschreckt!«, stieß sie hervor. Isheimur allein mochte wissen, wie es

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