Gesund durch Meditation
Namen vergeben, schon nicht mehr bei der ursprünglichen Erfahrung sind. Achten Sie also darauf, welche Bezeichnung Sie für Ihre Empfindung wählen. Vielleicht ist es gar nicht nötig, sie »Schmerz« zu nennen, und möglicherweise ist es sogar der Name, der sie intensiver erscheinen lässt. Probieren Sie es einfach einmal aus.
Wenn Sie sich auf diese Weise Ihrer inneren Erfahrungswelt zuwenden, werden Sie vielleicht auch bemerken, wie sich da noch alle möglichen anderen kommentierenden, bewertenden, widerstrebenden, schwarzmalerischen, hadernden, schwermütigen oder ängstlichen Gedanken und Gefühle tummeln, wie sie auftauchen und wieder verschwinden. Sätze wie »Das halte ich nicht länger aus«, »Wie soll das nur weitergehen«, »Mein ganzes Leben ist eine einzige Misere«, »Es hat sowieso alles keinen Sinn«, »Der Schmerz wird niemals nachlassen« gehen einem in schwierigen Momenten durch den Kopf. Diese Gedanken können die ständig wechselnden Reaktionen auf den Schmerz sein, und viele von ihnen sind angstgeleitete Vorwegnahmen einer unheilvollen Zukunft. Daher ist es wohltuend zu bemerken, dass KEINER VON IHNEN DER SCHMERZ SELBST IST .
Können Sie sich dies während der Übung bewusst machen, ist das ein Schlüsselerlebnis. So wenig diese Gedanken der Schmerz selbst sind, genauso wenig sind sie
Sie!
– ganz abgesehen davon, dass sie in der Regel nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun haben. Sie sind die nachvollziehbaren Reaktionen eines Geistes, der sich gegen den Schmerz sträubt und für sich eine andere Realität anstrebt, nämlich Schmerzfreiheit. Wenn Sie aber die Empfindung in Ihrem Körper in einem gegebenen Moment
als bloße Empfindung
erfahren, erkennen Sie vielleicht die Nutzlosigkeit Ihrer kommentierenden Gedanken
für diesen Moment
und die unnötige Verschlimmerung, die er durch sie erfährt.
Sich den Empfindungen akzeptierend zu überlassen wird Ihnen aber nur dann gelingen, wenn Sie erkennen, dass es Ihr Denken ist, das die Empfindungen als »schlecht« abstempelt. Es ist Ihr Geist, der sie ablehnt und der in ihnen ein Ärgernis sieht, das er einfach
beseitigt
wissen möchte. Der Unterschied liegt in der Einsicht, dass nicht
Sie
es sind, der die Empfindungen ablehnt, sondern dass es Ihr denkender Geist ist. Und durch Ihre Meditationserfahrung wissen Sie nun schon sozusagen aus erster Hand, dass Ihre Gedanken nicht mit Ihnen identisch sind.
Gelingt es Ihnen, inmitten des inneren Aufruhrs zu einem Moment der Stille zu finden, dann machen Sie vielleicht die neuartige Erfahrung, dass Ihr
Gewahrsein
der Empfindungen, Gedanken und Gefühle sich von den Empfindungen und Gedanken selbst unterscheidet – dass der Teil von »Ihnen«, der ihrer gewahr ist, weder dem Schmerz noch der Macht der Empfindungen und Gefühle unterliegt. Er weiß von ihnen, bleibt aber von ihrem Einfluss frei. Das können Sie selbst beim nächsten Mal angesichts einer intensiven negativen Empfindung oder Emotion ausprobieren. Sie verweilen in Gewahrsein und fragen sich: Ist mein Gewahrsein des Schmerzes selbst auch der Schmerz? Oder: Ist mein Gewahrsein der Angst, Wut oder Traurigkeit selbst auch die Angst, Wut oder Traurigkeit? Schon ein einziger Augenblick der Besinnung anhand dieser Fragestellung kann Ihnen unmittelbar einen anderen Zugang zu Ihrem Leiden, ein anderes Verständnis Ihres Leidens und vielleicht eine neue Form der Beziehung zu ihm eröffnen.
Vielleicht geht Ihnen in dieser Stille auch auf, dass wer oder was immer »Sie« sind, dies jedenfalls nicht allein Ihr Körper ist, ebenso wenig wie Ihre Gedanken und Gefühle. Auch Ihre Meinungen und Vorstellungen entwickeln sich, und manches, mit dem Sie sich früher vollständig identifiziert haben, ist über die Jahre für Sie bedeutungslos geworden. Das legt nahe, dass Ihr eigentliches Wesen mehr im Gewahrsein selbst liegt als in irgendeinem wahrnehmbaren Zustand jenes sich ständig verändernden Gebildes, das »Sie« sind. Das gilt umso mehr, wenn Sie lernen, im Gewahrsein Ihren »Grundmodus« zu sehen, Ihre natürliche Weise zu sein.
Wenn Sie aber nicht Ihr Körper sind, dann können Sie auch nicht seine Schmerzen sein. Ihr wahres Wesen muss etwas sein, das größer ist als Ihr Schmerz. Wenn Sie lernen, sich von der Dimension des Seins tragen zu lassen, kann die Beziehung zu dem Schmerz oder zu den intensiv unangenehmen Empfindungen in Ihrem Körper eine tiefgreifende Wandlung durchmachen. Eine solche Erfahrung, und sei sie noch so flüchtig oder
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