Gesund durch Meditation
nächste, nimmt man auch ihn wahr, lässt ihn los, atmet und kehrt zur Stille und Weite des Gewahrseins zurück. Und das macht man Gedanke um Gedanke um Gedanke, wenn nötig, als ginge es um das Leben. Nur so kommt man manchmal durch eine schwere Zeit.
Indem wir den Denkvorgang selbst zum Gegenstand unserer Aufmerksamkeit machen, vollziehen wir einen Haltungswechsel gegenüber unseren Gedanken. Dabei kann uns auch aufgehen, dass die Art und Weise, wie wir uns denkend oder sprechend auf unsere Gedanken und Gefühle beziehen, möglicherweise einer Korrektur bedarf. Sagen wir zum Beispiel »Ich habe Angst« oder »Ich mache mir Sorgen«, ist der Unterschied zwischen mir selbst und der Angst oder Sorge aufgehoben. Vielleicht wäre es angebrachter, von ängstlichen oder sorgenvollen Gedanken zu sprechen, die uns durch den Kopf gehen. Die starke Identifikation mit dem, wer oder was dieses »Ich« im Moment ausmacht, würde damit abgeschwächt, was auch angemessener wäre, da wir immer mehr sind als irgendein einzelner Gedanke oder ein vorübergehendes Gefühl. Wer oder was wir sind, findet sich weit eher im Gewahrsein, besonders wenn wir uns permanent darin üben, in ihm als unserem Grundmodus oder Seinsgrund zu verweilen. Mit unserer Anpassung des Sprachgebrauchs könnten wir sogar noch einen Schritt weitergehen, indem wir uns selbst sagen »es zürnt«, »es trauert« oder »es ängstigt sich«, so wie wir sagen »es regnet«. Diese unpersönliche Ausdrucksweise würde unterstreichen, dass wir weder der Inhalt unserer Gedanken noch unsere Gefühle sind. Anstatt uns mit unseren Gedanken und den mitunter heftigen Emotionen, die sie auslösen, zu identifizieren, benutzen wir sie lediglich als Indizien, über die wir uns ein klareres Bild von dem verschaffen, was jetzt in unserem Geist vorgeht. Hätte es nicht einen negativen Beiklang, könnten wir es eine grundlegende Geste der Zähmung des Geistes nennen, durch die wir uns mit seinen Zuständen innig vertraut machen, ohne uns in sie hineinziehen zu lassen. Diese innige Vertrautheit ist kein theoretischer Idealzustand, sondern konkrete Übungspraxis der Achtsamkeit.
Wenn es uns gelingt zu erkennen, dass wir nicht unsere Gedanken und Gefühle sind, dann halten wir damit den Schlüssel zu unserem inneren Gleichgewicht in Händen. Furcht, Angst und Panik sind keine unbezwinglichen Dämonen mehr, sondern ganz normale Gemütszustände, mit denen man umgehen und die man akzeptieren kann wie alle anderen auch. Anstatt von der Angst verschlungen zu werden, lernen wir, freier und reifer aus ihrer Umklammerung hervorzugehen.
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Teil V Der Weg der Achtsamkeit
25. Ein neuer Anfang
Einmal mehr neigt sich ein Kurs seinem Ende zu, und wieder lasse ich meinen Blick über die Gesichter der Teilnehmer gleiten. Erst acht Wochen ist es her, seit sie sich gemeinsam mit uns auf diese Reise der Heilung und Selbsterfahrung begeben haben. Ihr Ausdruck hat sich verändert, und sie sitzen anders da, bewusster, präsenter. Begonnen haben wir diesen Morgen mit einem zwanzigminütigen Body-Scan, gefolgt von einer ebenso langen Sitzmeditation. Es war eine ganz besondere Stille, und wir hätten endlos so weitersitzen können.
Es ist spürbar, dass die Teilnehmer jetzt um etwas wissen, um etwas sehr Schlichtes und doch Wesentliches, das ihnen zuvor entgangen war. Es sind immer noch dieselben Menschen, und in ihrem Leben sind seither keine dramatischen Veränderungen eingetreten. Und dennoch ist auf einer subtileren Ebene vieles geschehen.
Was wir regelmäßig am Ende eines Kurses erleben: Keiner von ihnen möchte zu diesem Zeitpunkt aufhören. Es scheint, als hätten wir gerade erst begonnen: Warum also nicht weitermachen, warum sich nicht weiterhin wöchentlich treffen und gemeinsam üben? Es gibt viele gute Gründe, zum Ende zu finden, der wichtigste aber ist der Schritt in die Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Das Gelernte muss sich in der Welt bewähren, ohne den Rückhalt unserer Treffen. Sich auf die eigenen Kräfte zu verlassen gehört zum Lernprozess, ist Teil des Weges, auf dem wir uns die Meditationspraxis ganz zu eigen machen.
Das Ende des Kurses muss nicht das Ende des Meditierens bedeuten, vielmehr erschließt sich erst in der Kontinuität der wahre Sinn der Übung. Die hinter uns liegenden acht Wochen sind nur der Beginn einer lebenslangen Reise. Wir haben beim Einschiffen und Aufnehmen des Kurses geholfen, von nun an ist jeder sein eigener Kapitän und Steuermann. Wir
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