Gesundheit - Eine Frage des Geschlechts
Psychopharmaka verschrieben bekommen. „Frauen gelten leicht als hysterisch, weniger belastbar, angerührt, übersensibel“, sagt die österreichische Publizistin Elfriede Hammerl. Doch Tatsache ist: „Sie sind nicht angerührt, sondern sie leiden an der Doppel- und Dreifachverantwortung, die ihnen von der Gesellschaft aufgebürdet wird – als Mütter schuld an allem, was die Kinder bedrückt, als Arbeitnehmerin mit Misstrauen beobachtet, weil ja sicherlich von Familienpflichten abgelenkt.“ 119
Vor allem weil sie in ihrer Freizeit oft mit Putzen, Aufräumen und Kochen beschäftigt sind, haben Frauen weniger Muße als Männer, sich anderen Freizeitaktivitäten zu widmen. Zum Abschalten oder Sporttreiben kommen sie kaum. Das ändert sich übrigens auch nicht, wenn die Kinder aus dem Haus sind und die Erwerbstätigkeit zu Ende ist: In der Altersgruppe ab 65 bleibt den Männern im Durchschnitt eine Stunde mehr Zeit für Freizeitaktivitäten als den Frauen. 120
Insgesamt wirkt sich eine Partnerschaft auf die Gesundheit von Frauen weniger günstig aus als auf die der Männer (siehe auch „Ungleich besser“ ). Zwar kann die gegenseitige emotionale Unterstützung durchaus positiv sein: Sie senkt die Pulsfrequenz, stärkt das Immunsystem und lindert Depressionen. 121 Doch Männer sind in Beziehungen nicht nur zufriedener, sie profitieren unter anderem deshalb mehr, weil sie durch die Frauen soziale Unterstützung und Beziehungen im weiteren sozialen Umfeld erhalten, haben der US-amerikanische Bevölkerungswissenschaftler Lee Lillard und sein Team herausgefunden. Auch lassen sie ihre Junggesellenflausen bleiben und verkaufen beispielsweise ihr Motorrad oder gehen früher schlafen.
„Wir Frauen sind die kommunikativeren, wir sind die Kümmertanten, wir sind die Empathischen, die alles schlucken und sich für alles verantwortlich fühlen“, sagt Beate Wimmer-Puchinger. „Wenn ich mir manchmal so selber zuhöre, frage ich mich: Trage ich jetzt dazu bei, die Stereotypen fortzuschreiben?“ Doch Stereotype hin oder her: Die Frauen sind nach wie vor auch diejenigen, die sich um das leibliche Wohl und um die Gesundheit ihrer Familie kümmern. Das kann dann so weit gehen, dass Frauen zu 36 Prozent, Männer aber nur zu sechs Prozent bereit sind, dem Partner bzw. der Partnerin eine Niere zu spenden. 122 Freilich liegt die Ursache für diesen Unterschied nicht in einer Böswilligkeit oder Lieblosigkeit der Männer, sondern vielmehr in der Opferbereitschaft, die von Frauen erwartet wird und der sie entsprechen. So werden von den 60- bis 75-jährigen Männern im Krankheitsfall 83,1 Prozent von ihren Ehefrauen oder Lebensgefährtinnen gepflegt, von den gleichaltrigen Frauen können jedoch nur 52 Prozent auf eine Betreuung durch ihren Partner bauen. 123 Auch kommen verheiratete Männer, die einen Herzanfall erleiden, eher ins Krankenhaus als verheiratete Frauen mit demselben Gesundheitsproblem. Denn es sind die Ehefrauen, die zum Telefonhörer greifen und den notärztlichen Dienst rufen. 124 Und schließlich scheint sich die Ehe auch günstig auf das Gewicht der Männer auszuwirken. Nach einer Scheidung nehmen Männer zu, haben Forscher der Universität Columbus in Ohio anhand der Daten von 10.000 US-Amerikanern erhoben. Wahrscheinlicher Grund: Es ermahnt sie niemand mehr zum gesünderen Essen. Oder sie essen aus Unglück. Denn überhaupt ist es für Männer problematischer, geschieden zu sein als verwitwet. „Entscheidend ist dabei das Bewältigungsverhalten des Scheidungsereignisses vieler Männer“, sagt der Dresdener Erziehungswissenschaftler Matthias Stiehler. Dieses Bewältigungsverhalten hat sich langfristig als besonders gesundheitsgefährdend erwiesen. 125
Essen zum Frustabbau
Was das Kümmern ums eigene leibliche Wohl betrifft, so zeigen Ernährungsberichte: Frauen essen anders. Sie bevorzugen Gemüse- und Nudelgerichte, leichte Kost, Frischobst, Milchprodukte und Rohkost, während Männer sich lieber von energiereichen, deftigen Speisen mit einem hohen Fleischanteil ernähren. Allerdings greifen Frauen häufiger als Männer zu zuckerhaltigen Lebensmitteln. Frauen sind besser über Ernährungsthemen informiert. Doch ihr Verhältnis zum Essen ist häufig ambivalent, und sie orientieren sich weniger an dem, was gesund ist, als an dem, was – vermeintlich – schlank macht. Und das von klein auf. „Für Mädchen ist das Thema Ernährung oft mit negativen Gefühlen wie Angst oder Sorge verbunden“, sagt die
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