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Getäuscht - Thriller

Titel: Getäuscht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Dibner, Vizedirektorin der Abteilung für Nukleare Sicherheit bei der Internationalen Atomenergieorganisation, saß allein am Kopfende eines Tisches in einem der zahlreichen Räume des Thames House. Ihre gefalteten Hände lagen entspannt vor ihr auf dem Tisch. Ihre Haltung ließ erkennen, dass sie sich über jeden Vorwurf erhaben fühlte. Sie war eine zierliche, resolut wirkende Frau mit strengem, hennarotem Pagenschnitt. Die bleiche Haut ihres Gesichts erinnerte an eine japanische Kabuki-Maske, aus der nur die tiefschwarzen, funkelnden Augen herausstachen. Ihren persönlichen Angaben zufolge war sie sechsundfünfzig Jahre alt und gebürtige Ungarin, die mit einem Deutschen verheiratet war. Ihr Englisch war tadellos, und sie sprach mit amerikanischem Akzent, was die Vermutung nahelegte, dass sie längere Zeit in den USA gelebt haben musste.
    Graves stellte sich und Kate vor. Nachdem er sich höflich nach ihrem Allgemeinbefinden erkundigt und sich bei ihr bedankt hatte, dass sie zu dieser späten Stunde bereit gewesen war, vom Hotel hierherzukommen, kam er ohne Umschweife zur Sache. »Warum sind Sie so überstürzt nach London gereist?«
    »Wir sind auf ein Problem in unserem Sicherheitsnetzwerk gestoßen.«
    »Um was für ein Problem handelt es sich?«
    »Kennen Sie sich mit den Aufgaben der Abteilung für Nukleare Sicherheit aus?«
    »Ich hatte bereits das Vergnügen, mit einigen Ihrer Kollegen zusammenzuarbeiten. Damals ging es um den Diebstahl von radioaktivem Material«, sagte Graves. »Uran, Plutonium und so weiter. Anfangs dachte ich, Ihr Besuch könnte ähnliche Gründe haben, bis ich von den gestohlenen Laptops erfuhr.«
    »Der Grund für unseren Besuch hängt tatsächlich mit einem ganz anderen Aufgabengebiet unserer Abteilung zusammen. Es geht um die Gewährleistung der Sicherheit von Atomkraftwerken, sowohl im laufenden Betrieb als auch bei der Überwachung und dem Schutz der Anlage.«
    Kate warf Graves einen Blick zu, der diesen kühl erwiderte.
    »Wir befürchten keinen Angriff von außen«, fuhr Dibner fort. »Selbst wenn man eine Boeing 747 in die Kuppel des Kernreaktors irgendeines Atomkraftwerks in Europa stürzen ließ, würde man sie damit nicht zerstören. Ein solcher Anschlag hätte keinerlei Auswirkungen. Nur ein massiver Militärangriff mit lasergesteuerten Geschossen könnte die Kuppel zerstören. Aber selbst das würde nicht gleich zu einem gewaltigen Austritt radioaktiver Strahlung führen, der eine Gefahr für die Bevölkerung darstellt. Was uns wirklich Kopfzerbrechen bereitet - der eigentliche Anlass unserer Reise - hängt mit der Cybersicherheit zusammen.«
    »Sie meinen, wenn sich jemand in die Kontrollsysteme des Kraftwerks einhackt?«, fragte Kate.
    »Genau das sind die größten Sicherheitsrisiken. Stellen Sie sich das Atomkraftwerk wie eine Burg mit vier konzentrischen, Verteidigungsringen vor. Um an die Burg heranzukommen müssen Sie die vier ausgeklügelten Verteidigungsringe überwinden, die immer komplexer werden, je weiter sie vordringen. Der äußerste Verteidigungsring ist ein Computerüberwachungssystem. Der zweite Ring ist das lokale Netzwerk, das das Kraftwerk vor Zugriffen von außen schützt. Der dritte Ring ist der wichtigste. Wir nennen ihn das Plant Control System oder PCS. Wie Sie wissen, befindet sich das radioaktive Material im Kernreaktor. Dort entsteht der Dampf, mit dem die Turbinen angetrieben werden, die wiederum Energie erzeugen. Das PCS überwacht sämtliche Kontrollsysteme und stellt auf diese Weise sicher, dass der Prozess reibungslos abläuft. Jedes Kontrollsystem wird von vier Computern oder vier unabhängigen Systemen überwacht. Wenn zwei dieser Computer einen Betriebsfehler registrieren, lösen sie das Sicherheitssystem aus.«
    »Das sind aber nur drei Verteidigungsringe«, meldete Graves sich vorsichtig zu Wort.
    »Der vierte Schutzwall ist das Reaktorschutzsystem. Und für den Fall, dass alle diese Sicherheitssysteme versagen, gibt es noch das technische Sicherungssystem, die Maschinenanlage des Kraftwerks. Aber unser Sorgenkind ist das PCS.«
    »Hat sich dort jemand eingehackt?«, fragte Kate.
    »Bislang noch nicht. Aber es gab mehrere Versuche. Ich kann Ihnen so viel verraten, dass es Hackern gelungen ist, in drei verschiedenen Kernkraftwerken den ersten Verteidigungsring zu überwinden.«
    »Wie weit sind diese Hacker gekommen?«
    »Weit genug. Aber wir haben ihre Sabotageversuche in allen Fällen sofort entdeckt. Wer immer dahintersteckte - er

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