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Getäuscht - Thriller

Titel: Getäuscht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ist, überall in der EU in den Kontrollraum eines beliebigen Atomkraftwerks eindringen, ohne aufzufallen. Mit Hilfe der Codes sollten nach strengen Kriterien ausgewählte Personen in der Lage sein, die Atomkraftwerke im Notfall aus sicherer Entfernung zu steuern. Aber es gibt keinen Grund zur Sorge. Nachdem wir den Diebstahl entdeckt hatten, haben wir ein Zerstörungskommando aktiviert, mit dem die Festplatten der Laptops vernichtet wurden.«
    »Wann genau war das?«
    »Wir durften das Gebäude um 17.00 Uhr wieder betreten.«
    »Also sechs Stunden später«, sagte Graves.
    »Mehr als genug Zeit, um eine Kopie der Festplatte zu machen«, sagte Kate.
    »Selbst mit den Codes ist es unmöglich, einen Vorfall zu initiieren. Die Ingenieure, die in Atomkraftwerken arbeiten, haben die nach weltweitem Standard beste Ausbildung erhalten. Sobald ihnen etwas verdächtig erscheint, schalten sie sofort auf manuellen Betrieb um. Das letzte Wort haben immer die Männer und Frauen im Kontrollraum, nicht die Computer.«
    Graves schob seinen Stuhl zurück und stand auf. Er half Mischa Dibner in ihren Mantel und brachte sie zur Tür. Zusammen mit Kate begleitete er sie bis zum Ende des Flurs. »Sagen Sie, Mrs. Dibner«, fragte Kate, »weshalb sollte sich Ihrer Ansicht nach jemand die Mühe machen, die Codes in die Finger zu bekommen, wenn sie im Endeffekt gar keinen Schaden anrichten können?«
    »In unserem Metier ist Wissen Macht«, antwortete Dibner. »Vielleicht hoffen diese Leute, dass sie durch den Diebstahl einen Einblick in die aktuellen Sicherheitsstandards erhalten. Vielleicht wollen sie uns auch einfach das Gefühl von Schwäche vermitteln.«
    Die drei blieben vor dem Fahrstuhl stehen. Als sich die Türen öffneten, trat Mischa Dibner in den Fahrstuhl. »Vergessen Sie bitte nicht«, sagte sie zum Abschied, »wenn Sie ein Atomkraftwerk sabotieren wollen, müssen Sie jemanden unbemerkt ins Innerste schleusen. Und das ist schlicht und einfach unmöglich.«

42.
 
    Emma Ransom lag lang ausgestreckt auf dem Bauch im hohen Heidekraut, das für diese Küstengegend typisch war. Vor den Augen trug sie eine Nachtsichtbrille. Von ihrem Posten auf einem 70 Meter hohen granitartigen Felsen aus beobachtete sie den gewaltigen Gebäudekomplex, der unter ihr lag, ungefähr 800 Meter vom Meer entfernt. Es waren drei voneinander getrennte Gebäude, zwischen denen jeweils rund 50 Meter lagen. Von außen betrachtet sahen sie vollkommen identisch aus. Alle bestanden aus einem viergeschossigen rechteckigen Block aus schwarzem Stahl, der zum Meer hin gebaut war und an dessen Ende ein massiver Betonklotz vor einem gigantischen Zylinder mit kuppelförmigem Dach und schmalem Schornstein stand.
    Der Gebäudekomplex war unter dem Namen La Reine bekannt, die Königin.
    Von technischer Seite aus betrachtet war La Reine ein Europäischer Druckwasserreaktor oder EPR mit einer Nettoleistung von 1600 Megawatt. Mit anderen Worten, La Reine gehörte zu den modernsten und leistungsstärksten Kernkraftwerken der Welt und konnte mehr als vier Millionen Haushalte rund um die Uhr mit Strom versorgen, und somit war ein Prestigeobjekt der modernen Wissenschaft.
    Für Emma jedoch war La Reine lediglich das Zielobjekt.
    Sie tauschte die Nachtsichtbrille gegen eine Kamera mit einem 1000-Millimeter-Teleobjektiv aus und schoss damit etliche Fotos. Dabei interessierte sie sich nicht so sehr für das Gebäude. Wenn sie wollte, konnte sie sich jederzeit zahllose Bilder vom Kraftwerk von der Internetseite der Électricité de France herunterladen. Ihr besonderes Interesse galt vielmehr den Sicherheitszäunen, die das Kernkraftwerk umschlossen und von denen sich nur wenige Bilder im Internet fanden. Die von Stacheldraht gekrönten Elektrozäune waren im Umkreis von 3 Kilometern im Abstand von jeweils 20 Metern rund um das Kraftwerk aufgestellt. An jedem dritten Zaunpfosten war eine glänzende Stahlbox angebracht. Emma wusste, dass diese Kästen automatisch gesteuerte Alarmauslöser für die zahllosen Drucksensoren waren, die in regelmäßigen Abständen im Boden des Sicherheitsgeländes verborgen waren. Es war völlig ausgeschlossen, unbemerkt über die Zäune zu klettern oder sich einen Weg unter ihnen hindurchzugraben.
    Emma war ganz in Schwarz gekleidet und hatte ihr Haar unter einer Mikrofiber-Kappe verborgen. Ihr Gesicht war mit nicht-reflektierender Tarnfarbe angemalt. Sie verstaute die Kamera wieder in ihrer Tasche und maß die gesamte Anlage mit Blicken ab. Dann

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