Getäuscht - Thriller
sofort mit den Krankenhäusern in Verbindung setzten und die Notaufnahmen überprüften. Lazio sprach schnell und in abgehackten Sätzen und ließ wiederholt medizinische Fachausdrücke ins Gespräch einfließen, wie Ärzte es gern und leider viel zu oft tun. Lazio klang wie ein gut geöltes Maschinengewehr. Jonathan hatte Mühe, ihm zu folgen. Er war müde, und der Versuch, Lazios Worte zu verstehen, machte ihn noch schläfriger.
»Espresso?«, fragte Lazio nach einer Weile. »Der bringt dich wieder auf die Beine.«
»Ja«, sagte Jonathan. »Gerne.«
Lazio erhob sich. Sofort sprang Jonathan auf, um ihm zu folgen.
»Immer mit der Ruhe«, sagte Lazio. »Ich wollte doch nur in die Teeküche am anderen Ende des Flurs. Da steht ein Kühlschrank. Möchtest du eine Kleinigkeit essen?«
»Nein. Nur einen Espresso«, sagte Jonathan. »Und beeil dich.«
»Ich bin sofort wieder da.«
»Okay.« Jonathan begleitete ihn bis zur Teeküche. Als er sich vergewissert hatte, dass es dort keinen versteckten Hinterausgang gab, vertrat er sich auf dem Flur ein wenig die Beine und versuchte, die Müdigkeit abzuschütteln. Kurz darauf kam Lazio mit zwei Espressotassen zurück. Jonathan trank seine Tasse in einem Zug leer.
Die beiden Männer gingen zurück in Lazios Büro, und der Italiener hängte sich wieder ans Telefon. Nach weiteren zehn Minuten erstattete er Jonathan Bericht.
»Du hattest recht«, sagte er. »Emma war hier. Am 19. April ist sie ins Ospedale San Carlo eingeliefert worden.«
Jonathan rutschte erwartungsvoll auf die Stuhlkante. »Das Ospedale San Carlo ... wo genau befindet sich das?«
»Ganz in der Nähe, in Parioli.«
»Und weiter?«
Lazio gab ihm mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er sich gedulden solle. »Eine ausländische Frau mit einer Verletzung, die zu deinen Beschreibungen passt, ist an diesem Tag um 21.45 Uhr eingeliefert worden und wurde eine Stunde später an der verletzten Niere operiert. Sie blieb zwei Tage zur Beobachtung und wurde dann gegen den Willen des behandelnden Arztes entlassen. Sie hatte keinen Ausweis bei sich und gab auf die Frage nach ihrem Namen nur an, dass sie Lara hieße.«
»Lara?«
»Ja.«
Lara. Der Name sagte Jonathan überhaupt nichts. »Hat sie keinen Nachnamen angegeben?«
»Nein. Sie wurde als NCP aufgeführt, als Patientin ohne Angaben zur Person und Versicherung. Aber du hast Glück. Die Krankenschwester, die sie aufgenommen hat, ist heute Abend im Dienst. Sie hat deine Frau auf dem Foto wiedererkannt.«
»Auf welchem der Fotos?«
»Keine Ahnung«, sagte Lazio. »Spielt das eine Rolle?«
Jonathan verneinte. Ihm dröhnte der Schädel, und er schloss für ein paar Sekunden die Augen. Lara. Wie war sie nur auf diesen Namen gekommen? Jonathan schoss der Gedanke durch den Kopf, dass es vielleicht eine ganz andere Frau gewesen sein könnte. »Was ist mit der Penizillinunverträglichkeit? Steht in dem Aufnahmeprotokoll, dass die Frau allergisch auf Penizillin reagiert hat?«
»Ich habe dir eine Kopie des Aufnahmeprotokolls ausgedruckt. Lies selbst.« Lazio reichte Jonathan ein paar Ausdrucke und setzte sich auf die Armlehne des Sessels. Dann arbeitete er sich gemeinsam mit Jonathan Zeile für Zeile durch das Protokoll und wies besonders auf den Tag und die Uhrzeit der Aufnahme sowie auf Größe und Gewicht der Patientin hin. Emma hatte angegeben, achtundzwanzig Jahre alt zu sein. Tatsächlich war sie zweiunddreißig. Auch das hörte sich ganz nach ihr an.
Als Lazio zu den Details der Operation kam, bat Jonathan ihn, langsamer zu lesen. Er wollte genau wissen, wie schlimm die Verletzung wirklich gewesen war. Das Messer war gut sieben Zentimeter in Emmas Unterleib eingedrungen, hatte die Niere verletzt und die Magenwand durchstoßen. Laut Protokoll hatte die Patientin die Blutgruppe AB Negativ und während der Operation eine Bluttransfusion von insgesamt drei Litern erhalten.
Drei Liter! Fast zwei Drittel ihrer gesamten Blutmenge.
Jonathan ließ die Papiere in seiner Hand sinken. Er war daran gewöhnt, Protokolle wie dieses ohne Gefühlsregung zu lesen, aber wenn es um seine Frau ging, konnte er nicht unbeteiligt bleiben. »Und sie hat ganz sicher keinen Nachnamen genannt?«
»Nein.«
»Du hast erwähnt, dass sie gegen den Willen ihres behandelnden Arztes das Krankenhaus verlassen hat. Wie hat sie die Rechnung bezahlt?«
»Jemand anders hat die Rechnung beglichen.«
»Wer?«
»Keine Ahnung. Hier steht nur, dass alle Rechnungen zur Zufriedenheit der
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