Getäuscht - Thriller
gewesen, wie Jonathan nun einsehen musste. Hastig schnappte er sich die Waffe und rannte den Flur hinunter. Die Tür zur Kellertreppe stand offen. Die Stufen verloren sich im düsteren Kellergewölbe. Nachdem Jonathan ein paar Stufen hinuntergestiegen war, blieb er stehen und warf einen Blick über die Schulter. Er konnte die halbgeöffnete Tür des Arbeitszimmers sehen, in dem der Computer stand.
»Police! Ouvrez!«
Jonathan zögerte noch einen Augenblick; dann setzte er sich in Bewegung.
63.
Kate Ford sprang aus dem Hubschrauber, kaum dass die Kufen den Boden berührten. Geduckt rannte sie auf die kleine Gruppe von Polizisten zu, die auf der gegenüberliegenden Seite der Landebahn warteten. »Wo sind die anderen?«, fragte sie.
»Am Haus«, antwortete einer der Männer, der sie zu einem weißen Renault mit fluoreszierenden orangefarbenen Streifen führte, einem typischen Streifenwagen der französischen Polizei. »Sie sind spät dran. Bitte hier entlang. Ich heiße Claude Martin und bringe Sie zur Villa.«
Kate reichte dem Beamten die Hand und nannte ihren Namen. »Was soll das heißen, ich bin spät dran? Ich habe Ihren Kollegen doch gesagt, sie sollen auf mich warten.«
»Monsieur le Commissaire wollte nicht länger warten. Er will um jeden Preis verhindern, dass Ransom der Polizei erneut entwischt.«
Der Seitenhieb saß. Ransom hatte die englische Polizei zum Narren gehalten und die Italiener vorgeführt. Der Commissaire wollte beweisen, dass die Franzosen schneller und besser waren als die ausländischen Kollegen. Im großen Wettstreit der Nationen zählten selbst die kleinen Siege. »Ist Ransom wirklich dort?«
»Das wissen wir noch nicht, aber wir haben ein als gestohlen gemeldetes Motorrad gefunden, das ein Stück weiter die Straße rauf am Straßenrand geparkt war.«
Kate nickte und drehte ihr Gesicht ein wenig zur Seite. Es fiel ihr schwer, sich die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Während des gesamten Fluges von Italien nach Frankreich hatte sie sich mit diplomatischen Spitzfindigkeiten herumschlagen müssen. Zahlreiche Telefongespräche waren geführt worden: zwischen der Met und der Police Nationale, dem MI5 und dem französischen Geheimdienst, und danach zwischen allen vier Parteien. Es war ein nicht enden wollendes Hin und Her gewesen. Die Franzosen wollten auf keinen Fall mit einer groß angelegten polizeilichen Suchaktion nach einem ausländischen Verdächtigen, der sich wahrscheinlich nicht einmal in der Nähe ihrer Landesgrenzen aufhielt, in die Schlagzeilen geraten. Eine volle Stunde lang hatten sie am Telefon darüber gestritten, ob Ransom in so kurzer Zeit eine so große Entfernung hatte zurücklegen können oder nicht. Eine weitere Stunde war über die Frage debattiert worden, wer für die Einsatzkosten aufkommen würde, die Engländer oder die Franzosen. Am Ende hatte man sich darauf geeinigt, dass der Einsatz von der Polizeidienststelle des Departement Alpes-Maritimes in Zusammenarbeit mit der regionalen Dienststelle des französischen Geheimdienstes in Marseille geleitet werden würde. Über die Kostenfrage wollte man sich später noch einmal unterhalten.
»Wie viele Polizisten befinden sich am Haus?«, fragte Kate und spürte, wie die Wut, die sich während des Fluges in ihr aufgestaut hatte, ihr den Magen zusammenschnürte.
»Wir haben vor fünf Minuten zwei unserer besten Männer zum Haus geschickt«, sagte Martin, der seinen Schulterabzeichen nach zu urteilen Sergeant war. Sein jungenhaftes Gesicht und der durchtrainierte Körper ließen vermuten, dass er vor Kurzem erst seine Ausbildung abgeschlossen hatte. »Zwölf weitere Männer sind gerade damit beschäftigt, die Gegend rund um die Villa abzuriegeln.«
Kate war sich nicht sicher, ob sie Martin richtig verstanden hatte. »Ich hatte ein Spezialteam zur Unterstützung angefordert. Ich bin davon ausgegangen, dass sie inzwischen hier sind.«
»Davon weiß ich nichts. Wir sind selbst erst vor einer Viertelstunde hier eingetroffen.«
»Also sind nur Ihre Kollegen vor Ort?«
»Im Augenblick, ja.«
Kate fragte sich, weshalb sie das überraschte. Dies hier war ein internationaler Einsatz, und solche Einsätze verliefen in den seltensten Fällen zügig und reibungslos.
»Wie weit ist es von hier bis zur Villa?«, fragte sie.
»Fünf Minuten. Aber wenn Sie mit mir fahren, bringe ich Sie schneller hin.«
Kate setzte sich zu Martin auf den Beifahrersitz. Der Sergeant fuhr mit kreischenden Reifen los und jagte über
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