Getäuscht - Thriller
einer Truppe weiblicher Kadetten, das Gewehr an der Schulter.
Emma beim Shoppen mit einer Freundin in einer belebten Einkaufsstraße.
Emma in ihrer Wohnung, ein Glas Wein in der Hand.
Und noch andere, intime Fotos. Fotos, die Emma im Dienst zeigten. Kompromittierende Fotos für Erpressungsversuche. Fotos, bei deren Anblick Jonathan schlecht wurde. Auf allen stand unten in kleinen schwarzen Buchstaben »Nachtigall«.
Nachtigall. Das war auch Emmas Codename bei Division gewesen.
»Überrascht?«, fragte eine kultivierte Männerstimme.
Jonathan zuckte zusammen, fuhr auf dem Stuhl herum und sah Alex, der mit einer locker in der Hand liegenden Pistole im Türrahmen lehnte.
»Für wen hätte Sie Ihrer Meinung nach denn arbeiten sollen?«
»Keine Ahnung«, antwortete Jonathan. »Jedenfalls nicht für Sie.«
»Sie kam aus Sibirien. Da blieb ihr wohl kaum etwas anderes übrig.« Alex machte eine Geste mit der Pistole. »Stehen Sie auf und folgen Sie mir. Keine Bange. Wir haben nicht vor, Ihnen etwas anzutun. Sie waren nett zu Lara. Und wir sind Leute, die ihre Dankbarkeit zu zeigen verstehen.«
»Wenn Sie mir wirklich danken wollen, sollten Sie zuerst Ihre Pistole wegstecken.«
»Das ist nur eine Vorsichtsmaßnahme.«
Alex tastete Jonathan ab. Als er keine Waffe bei ihm fand, gab er ihm durch eine Geste zu verstehen, dass er mit ihm den Flur hinuntergehen solle. »Möchten Sie ein Glas Wasser? Einen kleinen Imbiss?«
»Nein, danke«, sagte Jonathan. »Verraten Sie mir bitte nur eins. Was soll Emma in Ihrem Auftrag erledigen?«
»Sie meinen Lara. Ich dachte, das wüssten Sie. War das nicht der Grund, weshalb ich mich in Monaco mit Ihnen treffen sollte?« Alex wies mit einer Kopfbewegung in Richtung Wohnzimmer. »Im ganzen Haus sind Bewegungsmelder. Ich war noch keine zehn Minuten weg, als ich über mein Handy alarmiert wurde.«
»Sie haben bei Emmas Entlassung aus dem Krankenhaus fünfundzwanzigtausend Euro bezahlt. Das haben Sie bestimmt nicht ohne Grund getan.«
Alex lächelte nur vielsagend.
In der Küche führte er ein kurzes Telefonat. Er sprach so schnell, dass Jonathan kein Wort verstand. Als er das Gespräch beendet hatte, war sein Gesicht wie versteinert. »Was haben Sie auf dem Computer gefunden?«
Aber Jonathan war mit einer anderen Frage beschäftigt. »Wo ist Simenon?«
»Entschuldigen Sie, Dr. Ransom, aber wir befinden uns in meinem Haus. Also bin ich derjenige, der hier die Fragen stellt. Also, was genau haben Sie gelesen?«
»Gar nichts. Ich spreche kein Russisch.«
»Was Sie nicht sagen. Verraten Sie mir dann, wie Sie sich mit den Ärzten in Kabul verständigt haben?«
Sie waren natürlich genauestens über seine Vergangenheit informiert. Emmas Überwachung hatte weit über die in Oxford aufgenommenen Fotos hinaus gereicht. »Ich habe ihre Personalakte gefunden«, gab er widerstrebend zu. »Ich habe mir die Fotos angeschaut.«
»Mehr nicht?«
»Mehr nicht. Mehr musste ich nicht wissen.«
»Dann gibt es keinen Grund zur Sorge. Wollen Sie wirklich nichts essen? Probieren Sie eine Orange. Es sind Blutorangen aus Israel. Wir haben eine kleine Autofahrt vor uns.« Der Russe zog die Wagenschlüssel aus der Hosentasche. »Wir gehen jetzt gemeinsam bis zur Treppe am Ende des Flurs. Bitte nach Ihnen ...«
»Gendarmerie. Ouvrez la porte.« Dem lauten Befehl folgte ein ebenso lautes Klopfen an der Eingangstür.
Der Russe huschte an Jonathan vorbei.
»Rühren Sie sich nicht von der Stelle«, zischte er und wandte sich der Tür zu.
Wieder klopften die Polizeibeamten an, noch lauter als beim ersten Mal.
Jonathan blickte sich hastig in der Küche um und griff nach dem erstbesten Gegenstand, der massiv genug war, um eine brauchbare Waffe abzugeben. Es war eine große Obstschale aus geschliffenem Glas. Jonathan fuhr herum und schlug sie dem Russen mit aller Wucht an die Schläfe. Der Geheimagent schwankte und klammerte sich am Küchentresen fest. Mit einem Satz war Jonathan hinter ihm und versetzte ihm mit der Schale einen Schlag auf den Hinterkopf. Alex brach zusammen, zuckte ein paarmal und blieb regungslos liegen. Jonathan erkannte, dass der Mann tot war.
»Police! Ouvrez la porte! Maintenant!« Das Hämmern an der Tür wurde lauter und fordernder. Stimmen befahlen, die Tür sofort zu öffnen.
Jonathans Blick wanderte zu der Pistole. Er hatte die Pistole von Prudence Meadows in Rom gelassen und sich geschworen, nie wieder eine Waffe an sich zu nehmen. Aber diese Entscheidung war voreilig
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