Getäuscht - Thriller
schlug sich in hilflosem Zorn mit der Hand auf den Oberschenkel. »Um ehrlich zu sein, weder sein Verhalten noch ihres ergeben für mich auch nur den geringsten Sinn.«
»Sein Verhalten kann ich nachvollziehen«, widersprach Kate. »Er hat uns gesagt, dass sie ihn im Hotel überrascht hat. Er wusste, was sie in all den Jahren getan hat. Also hat er zwei und zwei zusammengezählt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass sie in London irgendetwas ausheckt.«
»Und was hat er als Nächstes vor?«
»Jetzt versucht er, sie zu retten.«
»Das ist nicht Ihr Ernst!«
»Was würden Sie denn tun, wenn sie Ihre Frau wäre?«
»Ich hätte sie mir ein bisschen sorgfältiger ausgesucht«, sagte Graves.
In diesem Moment klopfte es an der Tür, und Roberts trat ein. Ihm folgte ein zweiter Mann. Beide trugen eine Kiste mit den bestellten Jahrbüchern der Universität Oxford ins Büro. Graves nahm das oberste Buch aus der Kiste und verglich das Wappen auf dem Einband mit dem auf dem Bildschirm. Sie waren identisch. »Stellt die Kisten auf den Schreibtisch«, wies Graves die Männer an.
»Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Sir?«, fragte Roberts.
»Bring uns eine Kanne Kaffee, Zucker, Milch und den ganzen Schnickschnack rauf. Haben Sie sonst noch Wünsche, DCI Ford?«
»Wenn Sie eine Imbissbude finden, die auf hat, hätte ich gerne eine Portion Fish and Chips.«
»Eingewickelt in Zeitungspapier?«, fragte Graves mit dem Anflug eines Lächelns.
»Zeitungspapier wäre in Ordnung«, entgegnete Kate mit ernster Miene. Sie hatte keine Lust, von Graves wie ein Kumpel behandelt zu werden.
»Ihr habt die Lady gehört«, schnauzte Graves die beiden Männer an. »Fish and Chips. Für mich auch eine Portion. Ich hab einen Bärenhunger. Und jetzt raus mit euch.«
»Jawohl, Sir«, sagte Roberts und nickte ihm und Kate zum Abschied zu.
»So«, sagte Graves und setzte sich an den Schreibtisch. »Das wäre erledigt. Und jetzt an die Arbeit. Auf uns wartet eine Flut von Gesichtern, die wir uns anschauen müssen.«
30.
»Sucht jeden Millimeter der Straße ab«, rief Den Baxter, Chef der Spurensicherung der Londoner Metropolitan Police, während er Storey's Gate hinunterlief. »Genau hier finden sich alle erforderlichen Beweise. Keiner von euch braucht auch nur an Feierabend zu denken, bevor wir nicht sämtliche Beweisstücke gefunden haben.«
Es war genau 23.00 Uhr. Die Sonne war vor anderthalb Stunden untergegangen; die Dunkelheit hatte sich wie eine Decke über London gebreitet. Mit einer einzigen Ausnahme: Ganz Storey's Gate war in gleißendes Licht getaucht. Auf beiden Seiten des Bürgersteigs waren von der Victoria Street im Süden bis zur Great George Street im Norden Halogenstrahler über die gesamte Länge der Straße verteilt worden, insgesamt mehr als hundert Stück mit einer Leuchtkraft von je 150 Watt. Sie leuchteten den Ort, an dem vor zwölf Stunden die Bombe explodiert war, bis in den allerkleinsten Winkel aus. Gut fünfzig Mitarbeiter der Spurensicherung, von Kopf bis Fuß in weiße Overalls gekleidet, durchkämmten die Straße mit der Gewissenhaftigkeit von Kriegerameisen.
»Chef, kommen Sie bitte mal!«
Baxter lief an einem der ausgebrannten Autowracks vorbei und ging mit schnellen Schritten zum Bürgersteig, wo einer seiner Leute mit erhobener Hand stand. Baxter war ein bulliger Mann mit feuerrotem Haar und schiefer Boxernase. Seit dreißig Jahren arbeitete er nun schon bei der Polizei. Er war kurz nach dem Notdienst, den ersten Polizei- und Feuerwehrleuten sowie den Medizinern, die sich um die Verletzten kümmern sollten, am Tatort eingetroffen. Seine Arbeit bestand darin, alle Beweisstücke im Zusammenhang mit der Explosion zu finden, zu sichern und zu katalogisieren. Baxter widmete sich seiner Arbeit mit einem Feuereifer, der fast schon als fanatisch bezeichnet werden konnte.
»Was haben Sie gefunden?«, fragte er.
Der Mann zeigte ihm ein verbeultes Metallstück von der Größe einer Zigarettenpackung. »Ein echtes Schätzchen. Ein Stück von dem Wagen, der in die Luft gejagt wurde. Da klebt noch ein hübscher kleiner Rest dran.«
Baxter untersuchte das Metallstück und entdeckte die schwarze Verkrustung, die in einer Ecke klebte. Er kratzte vorsichtig mit dem Fingernagel an der Kruste, unter der ein weißes Pulver zum Vorschein kam. Mit dem Metallstück in der Hand ging er zur mobilen Einsatzzentrale, die an der Ecke Victoria Street geparkt war. Die Hintertür stand offen. Baxter stieg in den Wagen.
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