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Getrieben - Durch ewige Nacht

Getrieben - Durch ewige Nacht

Titel: Getrieben - Durch ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Rossi
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Wunden, von denen Aria sich erholen musste, waren tiefer gewesen. Nach und nach, Tag für Tag, hatten sie einander zurück ins Leben geholfen.
    Roar lächelte übers ganze Gesicht. »Ich weiß. Du hast mich vermisst.«
    Aria rollte die Augen. »Es ist kaum drei Wochen her, seit ich dich zum letzten Mal gesehen habe.«
    »Schrecklich lange Zeit«, meinte er. »Also, essen?«
    Nachdenklich blickte Aria zur Tür. Sie durfte sich nicht verstecken, wenn die Tiden sie akzeptieren sollten. Sie musste sich ihnen stellen. Also nickte sie und sagte: »Dann mal los.«

    »Ihre Haut ist viel zu glatt – wie bei einem Aal.«
    Die vor Boshaftigkeit triefende Stimme drang an Arias Ohren.
    Der Stamm hatte zu tuscheln begonnen, noch bevor sie sich zusammen mit Roar an einen der Tische gesetzt hatte. Aria nahm den schweren Löffel und rührte in der Schale mit Eintopf vor ihr, während sie versuchte, sich auf etwas anderes zu konzentrieren.
    Das Kochhaus bestand aus einem großen, rustikalen Raum – halb mittelalterliche Halle, halb Jagdhütte – und war vollgepackt mit langen, auf Böcken stehenden Tischen und Bänken. Überall brannten Kerzen, und zwei große Feuerstellen spendeten Wärme. Kinder spielten Fangen zwischen den Bänken, und ihre Stimmen mischten sich mit dem Brodeln von kochendem Wasser und dem Knistern des Feuers. Dazu kamen das Klappern von Löffeln und das Schmatzen von Menschen, die redeten, aßen und tranken. Ein Rülpser. Lachen. Hundegebell. All das wurde durch die dicken Steinmauern noch verstärkt. Aber trotz des Lärms konnte Aria nicht umhin, das gehässige Flüstern herauszufiltern.
    Zwei junge Frauen unterhielten sich am übernächsten Tisch. Die eine war eine hübsche Blondine mit leuchtend blauen Augen – dasselbe Mädchen, das Aria beobachtet hatte, als sie Perrys Haus betreten hatte. Das musste Brooke sein. Ihre jüngere Schwester Clara befand sich in Reverie. Vale hatte sie genau wie Talon im Tausch gegen Lebensmittel verkauft.
    »Ich dachte, Siedler sterben, wenn sie Außenweltluft atmen«, wunderte sich Brooke.
    »Tun sie auch«, erwiderte das andere Mädchen, »aber ich hab gehört, sie soll nur ein halber Maulwurf sein.«
    »Es hat sich tatsächlich jemand mit einer Siedlerin gepaart?«
    Arias Finger schlossen sich fester um den Löffel. Sie beleidigten ihre Mutter, die nicht mehr lebte, und ihren Vater, den sie nicht kannte. Dann begriff sie plötzlich: Die Tiden würden das Gleiche über sie und Perry sagen, wenn sie die Wahrheit erführen. Sie würden davon sprechen, dass sie sich
paarten
.
    »Perry sagte, sie soll Zeichnungen bekommen.«
    »Ein Maulwurf mit einem besonders ausgeprägten Sinn«, lästerte Brooke. »Unglaublich. Was ist sie denn?«
    »Eine Horcherin, glaube ich.«
    »Das heißt also, sie kann uns hören.«
    Gelächter.
    Aria biss die Zähne zusammen.
    Roar, der die ganze Zeit still neben ihr gesessen hatte, beugte sich zu ihr hinüber. »Hör gut zu«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Jetzt erzähle ich dir mal das Wichtigste, was du wissen musst, während du hier bist.«
    Reglos starrte Aria in ihre Eintopfschale, und ihr Herz schlug wie wild gegen ihre Rippen.
    »Du darfst
auf keinen Fall
den Schellfisch essen. Den haben sie viel zu lange gekocht.«
    Aria rammte ihm den Ellbogen in die Rippen.
»Roar!«
    »Ich meine es ernst. Zäh wie Leder.« Roar schaute über den Tisch. »Stimmt’s Old Will?«, wandte er sich an einen grauhaarigen Mann mit schlohweißem Bart.
    Obwohl Aria sich bereits monatelang in der Außenwelt aufgehalten hatte, staunte sie noch immer über Falten, Narben und andere Zeichen des Alters. Damals hatte sie sie als abstoßend empfunden. Jetzt lächelte sie fast beim Anblick dieses lederartigen Gesichts. In der Außenwelt trugen Körper ihre Erfahrungen wie Andenken.
    Willow, das Mädchen, das Aria bereits kennengelernt hatte, saß neben dem alten Mann. Aria spürte, wie sich ein Gewicht auf ihren Fuß legte, und entdeckte Flea unter dem Tisch.
    »Großvater, Roar hat dich was gefragt«, teilte Willow ihm mit.
    Der alte Mann spitzte die Ohren und beugte sich zu Roar vor. »Was hast du gesagt, mein Hübscher?«
    Roar hob die Stimme und erklärte: »Ich habe
Aria
gewarnt, dass sie den
Schellfisch
nicht essen soll.«
    Old Will musterte sie, die Lippen zu einem verärgerten Ausdruck zusammengekniffen.
    Arias Wangen röteten sich, während sie auf seine Antwort wartete. Das gehässige Getuschel war eine Sache, aber glattweg ignoriert zu werden, war etwas völlig

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