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Getrieben - Durch ewige Nacht

Getrieben - Durch ewige Nacht

Titel: Getrieben - Durch ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Rossi
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Wahl.

    Die Vorratskammer im hinteren Teil des Kochhauses war ein langer, aus Stein gemauerter Raum mit hohen Holzregalen an den Wänden, auf denen sich Getreidesäcke, Tontöpfe mit Kräutern und Gewürzen und Körbe mit Frühlingsgemüse stapelten. Normalerweise hingen Lebensmitteldüfte in der kühlen Luft, doch als Perry jetzt eintrat, schlug ihm der schwere Geruch von verbranntem Holz entgegen. Darunter nahm er eine Spur des beißenden Äthers wahr – ein Geruch, den auch Cinder verströmte.
    Der Schaden beschränkte sich auf eine Seite der Kammer. Ein Teil eines Regals war völlig verbrannt.
    »Er muss eine Lampe fallen gelassen haben«, bemerkte Bear und fuhr sich nachdenklich über den dichten, schwarzen Bart. »Wir waren schnell zur Stelle, aber trotzdem haben wir eine Menge verloren. Wir mussten zwei Getreidesäcke wegwerfen.«
    Perry nickte. Eigentlich konnten sie es sich gar nicht leisten, auf diese Lebensmittel zu verzichten. Die Tiden waren bereits auf knappe Rationen gesetzt.
    »Der Junge bestiehlt dich«, sagte Wylan. »Er bestiehlt uns. Wenn ich ihn das nächste Mal sehe, jage ich ihn aus dem Dorf.«
    »Nein«, widersprach Perry. »Schick ihn zu mir.«

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Aria
| Kapitel Vier
    »Alles in Ordnung?«, flüsterte Roar, als die anderen gegangen waren.
    Aria atmete auf und nickte, obwohl sie sich nicht ganz sicher war. Abgesehen von Roar und Perry hatten alle Anwesenden sie verachtet … Dafür, wer sie war. Dafür,
was
sie war.
    Eine Siedlerin. Ein Mädchen, das unter einer Kuppel lebte. Ein
Maulwurf-Flittchen
, wie Wylan leise vor sich hin gemurmelt hatte. Sie hatte sich zwar dagegen gewappnet, vor allem nachdem Reef sie tagelang kalt angestarrt hatte, aber trotzdem hatte das Ganze sie schwer getroffen. Und dann wurde ihr klar, dass es Perry genauso ergehen würde, wenn er nach Reverie käme. Schlimmer noch: Die Wärter in Reverie würden jeden Außenseiter sofort töten.
    Sie wandte sich von der Tür ab und ließ den Blick durch den gemütlichen, unordentlichen Raum schweifen: auf einer Seite ein Tisch mit bunten Stühlen, in den Regalen dahinter Schalen und Töpfe in allen Farben. Vor der Feuerstelle zwei abgewetzte, aber bequem aussehende Ledersessel. An der gegenüberliegenden Wand Körbe mit Büchern und Holzspielzeug. Der Raum war kühl und ruhig und roch schwach nach Rauch und altem Holz.
    »Das ist also sein Zuhause.«
    »Ja«, bestätigte Roar.
    »Ich kann nicht glauben, dass ich tatsächlich hier bin. Es wirkt wärmer, als ich gedacht hätte.«
    »Früher war es noch einladender.«
    Noch vor einem Jahr hatte Perrys ganze Familie in diesem Haus gelebt. Jetzt war er der letzte Verbliebene. Aria fragte sich, ob die Sechs deshalb hier schliefen; sicherlich gab es andere Häuser, in denen sie unterkommen konnten. Vielleicht vermisste Perry seine Familie in einem vollen Haus ja nicht so sehr. Aber das bezweifelte sie: Niemand würde je die Leere füllen können, die der Tod der eigenen Mutter hinterlassen hatte. Menschen konnte man nicht ersetzen.
    Aria dachte an ihr Zimmer in Reverie. Ein kleiner Raum, spärlich möbliert und ordentlich, mit grauen Wänden und einem Wandschrank. Dieses Zimmer war einmal ihr Zuhause gewesen, aber sie verspürte keine Sehnsucht danach. Inzwischen kam es ihr so einladend vor wie das Innere eines Stahlcontainers. Sie vermisste lediglich, wie sie sich dort gefühlt hatte: sicher. Geliebt. Umgeben von Menschen, die sie akzeptierten. Die sie nicht
Maulwurf-Flittchen
nannten.
    Ihr wurde bewusst, dass sie jetzt kein Zuhause mehr hatte. Keine
Dinge
wie die geschnitzten Falken auf der Fensterbank. Keine Objekte, die bewiesen, dass sie existierte. All ihre Habseligkeiten waren virtuell und befanden sich in den Welten. Sie waren nicht real. Sie hatte nicht einmal mehr eine Mutter.
    Ein Gefühl der Schwerelosigkeit überkam sie. Sie fühlte sich wie ein Ballon, der sich von der Leine gelöst hatte und aus nichts als Luft bestand.
    »Hast du Hunger?«, fragte Roar hinter ihr, der von ihren Gedanken nichts mitbekam und leicht und fröhlich wie immer klang. »Meistens essen wir im Kochhaus, aber ich könnte uns was holen.«
    Sie drehte sich um. Roar lehnte mit der Hüfte am Tisch, die Arme vor der Brust verschränkt. Er war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, genauso wie sie selbst.
    Er lächelte. »Nicht so komfortabel wie bei Marron, stimmt’s?«
    Sie hatten die vergangenen Monate gemeinsam in Delphi verbracht, während Roar eine Verletzung am Bein auskurierte. Die

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