Gevatter Tod
Rinceblind oder so! Rauchst du?«
»Nein, Herr. Rauchen ist eine üble Angewohnheit, Herr. Schadet der Gesundheit, Herr.« Rincewind vermied es, seine Vorgesetzten anzusehen. Er wurde sich plötzlich darüber klar, daß er sich wahrscheinlich erbitterte Feinde geschaffen hatte, und die beschränkte Lebenserwartung der Betreffenden linderte kaum seine Sorge.
»Recht so! Halt meinen Stab! Nun, ihr armseligen Witzfiguren und Verräter der magischen Tradition – ich werde euch Beine machen, kapiert? Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Morgen früh, noch vor der Morgendämmerung, macht ihr drei Runden um den Innenhof, und anschließend beginnen hier drin die eigentlichen körperlichen Übungen! Ausgewogene Mahlzeiten! Intensives Studium! Bewegung für Körper und Geist! Und der verdammte Affe wird so schnell wie möglich dem nächsten Zirkus übergeben!«
»Ugh?«
Einige der alten Zauberer schlossen die Augen.
»Zuerst aber«, fügte Albert hinzu und senkte die Stimme, »werdet ihr mir dabei helfen, den Ritus von AshkEnte zu vollziehen. Ich muß da noch etwas erledigen…«
Mort schritt durch die rabenschwarzen Tunnel in der Pyramide, und Ysabell versuchte, den Anschluß nicht zu verlieren. Das matte Glühen des Schwerts fiel auf unangenehme Dinge. Der Krokodilgott Offler war wie eine Kosmetikwerbung, wenn man ihn mit einigen anderen Ungeheuerlichkeiten verglich, die in Tsort verehrt wurden. In Dutzenden von Wandnischen standen Nachbildungen von Wesen, die Er offenbar aus den Resten seines Schöpfungswerks geformt hatte.
»Warum wurden hier all jene Statuen aufgestellt?« flüsterte Ysabell.
»Die tsortanischen Priester sind davon überzeugt, daß die Ungeheuer nach dem Schließen der Pyramide lebendig werden, um die Leiche des Königs vor Grabräubern zu schützen«, erwiderte Mort.
»Welch gräßlicher Aberglaube!«
»Oh, von Aberglaube kann überhaupt keine Rede sein«, entgegnete Mort zerstreut.
»Sie werden wirklich lebendig?«
»Ich möchte nur soviel sagen: Tsortaner verstehen ihr Handwerk, wenn sie einen Ort verfluchen.«
Mort bog um eine Ecke, und Ysabell verlor ihn einige entsetzliche Sekunden lang aus den Augen. Sie hastete durch die Finsternis und stieß gegen ihn, stellte fest, daß er gerade einen hundeköpfigen Vogel betrachtete.
»Grgh.« Das Mädchen schauderte. »Läuft es dir bei dem Anblick nicht kalt über den Rücken?«
»Nein«, gab Mort schlicht zurück.
»Warum nicht?«
WEIL ICH MORT BIN. Er drehte sich um, und Ysabell schnappte unwillkürlich nach Luft: Seine Augen glühten in einem kobaltfarbenen Ton.
»Hör auf damit!«
ICH – KANN NICHT.
Sie versuchte vergeblich, laut zu lachen. »Du bist nicht der Tod«, sagte sie. »Du vertrittst ihn nur.«
WER TODS PFLICHTEN ERFÜLLT, IST DER TOD.
Ysabell schwieg schockiert – und vernahm ein leises Stöhnen irgendwo in der Dunkelheit vor ihnen. Mort hörte es ebenfalls, wirbelte ruckartig herum und eilte in die entsprechende Richtung.
Er hat recht, dachte Ysabell. Er bewegte sich sogar wie mein Vater…
Der bläuliche Glanz wich zurück, und angesichts der gierig herankriechenden Dunkelheit gab sich das Mädchen einen Ruck. Es kämpfte gegen sein Unbehagen an, folgte Mort um eine weitere Ecke und sah einen großen Raum, eine seltsame Kreuzung zwischen Schatzkammer und vollgestopftem Dachboden. Trübes, von der Schwertklinge ausgehendes Licht tropfte über die Wände.
»Was ist das für ein Raum?« raunte Ysabell. »Noch nie zuvor habe ich so viele Sachen an einem Ort gesehen.«
DER KÖNIG NIMMT SIE IN DIE NÄCHSTE WELT MIT, sagte Mort.
»Offenbar hält er nichts davon, mit leichtem Gepäck zu reisen. Sieh nur das Boot dort! Und in der Ecke steht eine goldene Badewanne.«
WAHRSCHEINLICH MÖCHTE ER SICH GRÜNDLICH WASCHEN, WENN ER SEIN ZIEL ERREICHT.
»Und die vielen Statuen!«
LEIDER MUSS ICH DICH DARAUF HINWEISEN, DASS ES KEINE STATUEN SIND, SONDERN MENSCHEN WAREN. DIENER DES KÖNIGS, UM GANZ GENAU ZU SEIN.
Ysabells Züge verhärteten sich.
DIE PRIESTER HABEN SIE VERGIFTET.
Das Stöhnen wiederholte sich, kam von der anderen Seite des Raums. Mort ging weiter, vorbei an zusammengerollten Teppichen, dicken Dattelbündeln, Geschirrkisten und edelsteingefüllten Truhen. Offenbar hatte der König nicht so recht entscheiden können, was er bei seiner letzten Reise zurücklassen sollte; aus diesem Grund ging er auf Nummer Sicher und nahm einfach alles mit.
ABER DAS GIFT WIRKT NICHT IMMER SCHNELL GENUG, fügte Mort
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