Gewagt - Gewonnen
blieb eine Weile stumm. Sie wußte wohl, was sie gern gesagt hätte, aber sie mochte nicht indiskret sein.
„Woran denken Sie?“ fragte Mostvedt plötzlich, als habe er erraten, was in ihr vorging.
„Darf ich es sagen?“
„Ob Sie es dürfen? – Ich bitte Sie darum!“
Vielleicht verlieh Astrid das Bewußtsein, gute Arbeit geleistet zu haben, den Mut auszusprechen, was sie dachte. Vielleicht spielte auch die unverhohlene Bewunderung, die Per ihr zollte, eine Rolle. Außerdem wünschte sie ihm ja zu helfen.
„Wenn Sie meinen, ich sei zu indiskret, dann müssen Sie mich unterbrechen“, begann sie etwas zögernd. „Ich möchte nämlich von Dingen sprechen, die mich eigentlich nicht das geringste angehen.“
„Also?“
„Ich finde, Ihre Stimme klingt merkwürdig hart, wenn Sie von Fräulein Harder sprechen. Es tut ordentlich weh, das zu hören. Denn Gerda verdient das wirklich nicht…. und… und Sie wollen sie ja auch heiraten. Sie lieben sie ja doch!“
„Sprechen Sie weiter!“ sagte Per, als Astrid verstummte und ihn unsicher ansah.
„Es ist gerade so, als wären Sie gereizt, weil sie nicht so… so sentimental ist wie ich. Weil sie die Kaninchen schlachtet, statt sie hinter den Ohren zu kraulen. Sie sehen sie nicht, wie sie wirklich ist. Selbst der Tonfall, in dem Sie von ihr sprechen, ist für sie eine Beleidigung.“
Per Mostvedt blieb stumm. Astrid blickte ihn forschend an und fragte vorsichtig:
„Habe ich Sie beleidigt?“
„O nein. Die Bonbons, die Sie mir da zu kosten geben, sind ja zwar reichlich sauer; aber vielleicht sind sie für mich gerade das richtige. Sprechen Sie nur ruhig weiter!“
„Gerda ist eine grundehrliche Natur. Sie ist intelligent, und sie ist außergewöhnlich schön. Und sie hängt an Ihnen. Und – aber jetzt vermute ich nur, und Sie müssen mich unterbrechen, wenn ich mich irre – sie ist steinreich. Und daraus können Schwierigkeiten erwachsen. Aber Sie müssen beide diese Schwierigkeiten überwinden. Es wäre töricht, wollten Sie versuchen, sich auf dieselbe Plattform zu stellen, auf die das Geld Gerda gestellt hat. Vergessen Sie nicht, daß Sie so, wie Sie sind, ihr Herz gewonnen haben! Darum müssen Sie auch bleiben, wie Sie sind. Es ist eine ganz ehrliche Sache, daß Sie ein tüchtiger Tierarzt und liebenswerter Mensch sind – und weiter nichts. Und es ist ebenfalls eine ehrliche Sache, daß Gerda ein reiches Mädchen ist und einer anderen Gesellschaftsschicht angehört. Das ist nun einmal so und läßt sich nicht ändern. Aber sie ist frei von Snobismus und gänzlich ungekünstelt. Und darüber sollten Sie froh sein.“
Astrid verstummte und wunderte sich über sich selbst. Sie wußte nicht, woher ihr die Worte gekommen waren, sie begriff nicht, daß das Problem in ihrem Unterbewußtsein geschlummert hatte und bereits gelöst war, als es jetzt aus dem Unterbewußtsein auftauchte und forderte, in Worte gekleidet zu werden.
Per Mostvedt schwieg lange. Dann brachte er den Wagen zum Stehen.
„Ich muß unbedingt einen Augenblick halten, um Ihnen die Hand zu drücken, Fräulein Astrid. Sie haben genau das gesagt, was mir zu hören not tat. Ich gestehe nämlich – jetzt spreche ich offen, und ich weiß, Sie werden mich nicht mißverstehen –, ich gestehe, daß ich in Gerda verliebt bin, daß ich sie sehr gern habe; aber… aber so vieles bei ihr geht mir auf die Nerven. Und dann fange ich immer wieder an, Gerda mit Ihnen zu vergleichen… und dann… ja… manchmal dünkt mich, eigentlich hätte ich Sie heiraten sollen…“
Astrid wunderte sich im stillen, daß ihr Herz bei diesen Worten Pers keineswegs vor Freude hüpfte. Sie fühlte mit ihrem sicheren weiblichen Instinkt, daß sie, wenn sie es gewollt hätte, in diesem Augenblick Per Gerda hätte ausspannen können. Es hätte dazu nicht einmal eines raffinierten Intrigenspiels bedurft; er wäre ihr wie eine reife Frucht in den Schoß gefallen. Aber – sie wollte nicht! Von dem Gefühl, das sie einmal erfüllt hatte, war auch nicht der leiseste Hauch zurückgeblieben. In der Tiefe ihres Herzens wußte sie, daß sie mit ihm fertig war, daß sie nur noch ihm und Gerda alles Gute wünschte. Sie richtete ihre Augen voll auf Per.
„Sie wissen recht gut, Herr Mostvedt, daß Sie nie in mich verliebt gewesen sind“, sagte sie ernst. „Sie fanden mich lieb und nett, und Sie waren von meiner Arbeit in Ihrer Praxis sehr begeistert. Aber Sie wären nie auf den Gedanken gekommen, in mir die Frau zu
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