Gewagt - Gewonnen
auf, und Hein erschien, um den Abfall an Hundewolle zu holen.
„Es ist nicht mehr allzuviel los“, sagte Hein. Er war mit der „stillen“ Zeit, die nun schon mehrere Tage anhielt, durchaus nicht zufrieden, denn er verdiente an dem Verkauf der Hundewolle und hätte es daher am liebsten gesehen, wenn Astrid Tag und Nacht gearbeitet hätte.
Hein war übrigens sehr viel netter geworden. Ein guter Junge war er freilich immer gewesen, nur das Necken hatte er nicht lassen können. In dieser Hinsicht war es nun in der letzten Zeit viel besser geworden. Hein hatte vor seiner Schwester Respekt bekommen; und vielleicht spielte auch seine Freundschaft mit Jörgen Trahne dabei eine gewisse Rolle. War er doch Heins großes Vorbild als Leichtathlet und als Sportsmann überhaupt.
„Ist das hier alles? Mir scheint, in der Kiste da hast du auch noch Hundewolle?“
„Ja, aber die bekommst du nicht. Die ist so lang und fein, daß ich glaube, ich lasse sie mir eines Tages spinnen.“
Hein besah die in der Kiste befindliche Hundewolle.
„Ist die nicht von Timian?“ fragte er.
„Ja.“
„Da könntest du sie ja so lange sammeln, bis du genug beisammen hast, um Jörgen daraus einen Pullover zu stricken. Glaubst du nicht, er würde das sehr zu schätzen wissen?“ Zu ihrem Verdruß merkte Astrid, daß sie rot wurde. „Dumm, daß Jörgen jetzt soviel zu tun hat. Er hat sich lange nicht mehr sehen lassen.“ Hein setzte sich auf die Kiste und erbettelte sich von seiner Schwester eine Zigarette. „Du, Astrid! Ich glaube, Jörgen ist ganz verrückt nach dir.“
„Was redest du da, Hein!“
„Nein, wirklich, du! Aber weißt du, Astrid“, Hein tat einen tiefen Zug aus der eigentlich nicht erlaubten Zigarette, „du verstehst es ordentlich, einen bescheidenen jungen Mann so einzuschüchtern, daß er sich gar nicht an dich herantraut!“
„Verstehe ich das?“
„Klar! Ich werde dir eins sagen, Astrid. Jörgen Trahne hat es nicht leicht. Vielleicht hat er Schulden aus der Studienzeit oder Unterhaltsverpflichtungen oder sonst etwas. Auf jeden Fall kann ich es ihm nachfühlen, daß er abgeschreckt wird, wenn er sieht, wie schön du hier eingerichtet bist und daß du recht anständig verdienst. Und glaubst du etwa, es macht ihm Mut, wenn du im Pelz und großer Aufmachung angesaust kommst? Weißt du, deswegen habe ich ja die Bärbel fallenlassen! Obwohl sie ein prima Mädel war. Solange sie ein Schulmädchen war, in blauem Mantel und Baskenmütze, war alles schön und gut; aber dann wurde sie konfirmiert und trug den alten Pelz der Mutter und bekam Lippenstift und so – und das wurde mir alles zuviel. Ich verstehe sehr gut, daß Jörgen einfach nicht versucht, bei dir etwas zu erreichen.“
„Du redest so viel Unsinn, Hein.“
„Das tue ich eben nicht, und du weißt es! Danke für das Stäbchen, petze nicht bei Mutti!“
Hein verschwand mit einem Sack voll Hundewolle, und Astrid blieb mit klopfendem Herzen allein zurück. Sie begann, über das soeben Gehörte nachzudenken.
Ob es richtig war, was Hein da gesagt hatte? Sollten seine wachen Jungenaugen die Dinge so gesehen haben, wie sie wirklich waren?
Du lieber Gott! War das das einzige Hindernis? Dann brauchte sie ja Jörgen nur zu verstehen geben, daß die Geldfrage nicht die geringste Rolle spielte! Konnten sie jeder für sich essen und wohnen und existieren, dann konnten sie es doch sicherlich erst recht, wenn sie sich zusammentaten. Konnte sie etwa auf einmal nicht mehr so gut trimmen, wenn sie… verheiratet war? Plötzlich sah die Welt viel heller aus!
Am nächsten Tag war Astrid mit ihrer Arbeit um drei Uhr fertig. Sie ging ans Telefon, nahm den Hörer ab, blieb einen Augenblick sinnend stehen – und legte ihn dann schnell wieder auf.
Nein. Sie wollte nicht.
Obwohl…. es war doch eigentlich gar nicht so sonderbar, wenn sie ihn zum Abend einlud?
Wenn er nun aber nein sagte?
Unsinn! Warum sollte er nein sagen?
Astrid zählte an den Knöpfen ab. Sie sagten nein. Ganz entschieden nein. Und mit der Logik aller Verliebten ging sie wieder zum Telefon, und diesmal wählte sie die Nummer des Polizeiamtes.
Kommissar Trahne sei leider schon fortgegangen. Ob etwas bestellt werden solle?
Nein, danke, es sei nichts zu bestellen.
Astrid vergrub die Hände in den Taschen ihres Kittels, sank auf den „Kundenstuhl“ und überließ sich ihren Gedanken. Plötzlich erhob sie den Kopf. Hundegebell. War das auch ein Grund, Herzklopfen zu bekommen? Daß ein Hund vor dem
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