Gewalt ist eine Loesung
Ich versuchte, seinem Blick nicht auszuweichen. »Ja!«, beschied ich ihm energisch, drehte mich um und ließ ihn stehen.
Mark hatte Wort gehalten. Er und alle anderen Partygäste hatten ihre Strafanzeigen tatsächlich zurückgezogen. Und andere Beweismittel gab es nicht. Keine Zeugenaussagen von Anwohnern oder Unbeteiligten. Keine Überwachungskameras – nichts. Das gesamte Kartenhaus des Staatsanwaltes war einfach zusammengefallen. Und der Ankläger konnte noch so sehr toben, der Mann stand mit leeren Händen da. Keine Anzeigen, keine Beweise, keine Strafverfolgung. So einfach ist das in einem Rechtsstaat. Dem Staatsanwalt blieb überhaupt keine Wahl. Er musste diese dicke Akte über die Silvesterschlägerei schließen und sie in den Archiv-Tiefen seiner Behörde versenken.
Und ich? Ich war erneut davongekommen. Ich musste schon wieder nicht die Konsequenzen für mein Handeln übernehmen. Alles war im Lot. Es gab keine Gründe, mein Handeln zu reflektieren. Es grenzte zwar fast an ein Wunder, aber ich konnte offenbar tun und lassen, was ich wollte. Ich konnte die Polizeiuniform tragen und ich konnte »zum Fußball fahren« – und nichts passierte. Auch wenn es in diesem Fall recht knapp zuging. Die Strafanzeige gegen mich war bereits geschrieben und das Ermittlungsergebnis wäre eindeutig ausgefallen. Aber war mir am Ende etwas passiert? Musste ich irgendwelche Folgen tragen? Nein! Warum also hätte ich mein aufregendes Leben ändern sollen?
12. Spieltaktik –
Über Jäger und Gejagte
Die Hauptaufgabe eines szenekundigen Beamten, eines SKB, bestand in der Verhinderung von Fußballkrawallen im Stadion und im gesamten Umfeld eines Spiels. Dazu gehörten die Überwachung der An- und Abreise der jeweiligen Gruppierungen, die Überwachung der Innenstädte und – wenn irgend möglich – die Erlangung von wertvollen Informationen aus den Kreisen der sogenannten Problemfans.
Wie sich das für eine deutsche Behörde gehört, wird jeder Fan erfasst und mit einem entsprechenden Etikett versehen. Unter Typ A versteht man den harmlosen Fan, der seine Mannschaft leidenschaftlich, aber friedlich mit Gesängen zum Sieg geleiten will. Typ B gilt schon als etwas verdächtiger, da er sich in bestimmten Situationen zu einer Gewalttat hinreißen lassen könnte. Diese Gewalt könnte bei sogenannten Brisanz-Spielen auftreten, also beispielsweise aufgeladene Derbys, oder aber auch einfach aus einer Laune heraus.
Keine Missverständnisse gibt es bei der Kategorie C. Fußballfans der Kategorie C verfolgen nach Meinung der Behörden ausschließlich böse Absichten. Kategorie C steht synonym für Gewalt. Mittlerweile gibt es sogar eine eigene Modelinie eines Szene-Labels mit dieser Bezeichnung, deren einziger Schriftzug aus dem Begriff »Kategorie C« in altdeutscher Schrift besteht. Nicht zu vergessen eine Band mit diesem Namen, die von Jungs der alten Bremer Hooligan-Gruppe »Standarte« gegründet wurde.
Die Zuschauer werden vor jedem Spiel von der Polizei in einer Gefährdungsanalyse entsprechend kategorisiert. Dabei müssen eine Vielzahl unterschiedlichster Informationen verarbeitet werden: Mit wie vielen gewalttätigen »Fans« wird gerechnet? Gibt es in Bezug auf die beiden Vereine besondere Faktoren zu beachten? Alte Rivalitäten und Feindschaften? Gab es schwere Ausschreitungen in der Vergangenheit? Sind noch offene Rechnungen aus zurückliegenden Aufeinandertreffen zu begleichen? Muss davon ausgegangen werden, dass diese »Fans« versuchen, konspirativ in die Stadt des Gegners zu reisen – womöglich schon lange vor dem eigentlichen Spiel und somit vor Beginn des eigentlichen Polizei-Großeinsatzes?
Nach dieser Gefährdungsanalyse bestimmt der Polizeiführer der betreffenden Stadt die Zahl der eingesetzten Polizisten sowie die Art der Ausstattung dieser Beamten. Bei Brisanz-Spielen kann der Polizeiführer zusätzlich Wasserwerfer, Reiter- und Hundestaffeln, Spezialeinheiten sowie eine Luftüberwachung per Hubschrauber beim Landesinnenministerium anfordern. Sollten diese angeforderten Kräfte im eigenen Bundesland nicht ausreichend zur Verfügung stehen, wendet sich das Landesinnenministerium an das Bundesinnenministerium. Der Bund stellt dann je nach Bedarf gegen Rechnung eigene Kräfte wie den Bundesgrenzschutz zur Verfügung oder vermittelt Hundertschaften anderer Bundesländer in die fragliche Region.
Ein ähnliches Prozedere erfordern Spiele der deutschen Fußballnationalmannschaft. Man denke hierbei nur an die
Weitere Kostenlose Bücher