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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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Schlinge gezogen und musste langsam und elendig erstickt sein. Ein qualvoller Tod. Ihre Beine waren bereits deutlich blauviolett verfärbt. Ein klares Indiz dafür, dass sie schon längere Zeit dort gehangen haben musste. Denn das waren die sogenannten Totenflecken.
    Tanja konnte nicht länger hinsehen, drehte sich um und legte ihren Kopf auf meine Schulter. Während ich mir noch die alte Frau ansah, stellte ich mir vor, wie verzweifelt sie gewesen sein musste. Stundenlang war sie im Wald herumgeirrt, hatte sich barfuß in Pantoffeln durch dieses Dornengestrüpp hindurchgekämpft, nur um sich am Ende langsam und qualvoll zu erhängen. Was für ein schreckliches Ende.
    Auf dem Rückweg war es bereits stockdunkel und wir brauchten zwei Stunden, um wieder aus dem Waldgebiet herauszukommen. Währenddessen hielt Tanja meine Hand, sagte aber nichts weiter. Ich dachte mir nichts dabei – wir waren Kollegen, eigentlich sogar Freunde, und hatten eine Extremsituation hinter uns. Bei aller Routine – das sind Momente, an die man sich als Polizist nie gewöhnen kann.
    Unsere Einheit fuhr in die Dortmunder Kaserne zurück und wir setzten uns noch mit rund 20 Kollegen auf ein Bier zusammen. Ich unterhielt mich mit einem meiner Vorgesetzten. Mirko, ein ehrlicher Kerl aus dem Ruhrgebiet. Irgendwie mochten wir uns von Anfang an. Wir tranken den ganzen Abend Becks und eine halbe Flasche Jägermeister zusammen und kamen im Laufe des Gesprächs auf Fußball und Gewalt zu sprechen. Mirko erzählte mir mit gedämpfter Stimme, dass er früher häufig zu Schalke gefahren sei und da auch die eine oder andere Schlägerei gesehen hätte.
    Konnte ich ihm vertrauen? War das eine Falle? Ein Hinterhalt? Oder litt ich unter Verfolgungswahn? Warum sollte ausgerechnet diese ehrliche Haut mich in einen Hinterhalt locken? Warum sollte ich ihm vertrauen können? Vertrauen – nicht nur meinen Jungs, sondern einem Polizisten. So wie es beim Bundesgrenzschutz gewesen war. Damals, als ich noch Kameraden hatte.
    Ich wagte diesen Schritt und erzählte ihm, dass auch ich schon seit Jahren zur Arminia gehen würde und da auch schon einiges gesehen hätte. Ich berichtete ihm sogar von einer heftigen, brutalen Schlägerei, ließ meine Beteiligung dabei aber außen vor. Mirko selbst sprach nun von einem guten Freund, der immer mit den Jungs mitfahren würde. Und der ihn auch schon mal in eine einschlägige Kneipe mitgenommen hätte, wo er schließlich mit den Jungs aus der Gelsen-Szene etwas getrunken habe. War das ein Geständnis? Wollte Mirko mir etwas sagen?
    Ich ging noch einen Schritt weiter. Es war wie ein Tanz auf einer Rasierklinge: »Ach, so ein Zufall. Ich habe auch einen alten Jugendfreund, der mittlerweile in der Führungsschicht der Bielefelder Hooligans ist. Aufgrund seiner körperlichen Überlegenheit, knapp zwei Meter groß, 120 Kilo schwer, ausgebildeter Boxer, hat er sich schon durch ganz Deutschland geprügelt und ist dementsprechend bekannt.« Mirko nickte verständnisvoll. Und so tasteten wir uns immer weiter vor, bis am Ende der Nacht schließlich herauskam, dass einer meiner Vorgesetzten früher zum Fußball gefahren war. Wow! Ich war also doch nicht allein. Da gab es noch andere, die wie ich tickten.
    Mirko fuhr – wie er mir in dieser Nacht erzählte – nicht direkt mit dem harten Kern mit, aber immerhin hatte er sich im Umfeld von Schalker Hooligans bewegt und sich an mehreren Schlägereien beteiligt. Meine Überraschung, aber auch meine Erleichterung nach diesem Geständnis konnte ich kaum verbergen. Ich war nicht allein! Es gab noch andere! Nach unzähligen Flaschen Bier und vielen Gläsern Jägermeister schilderte ich ihm einige meiner Erlebnisse und gestand meine enge Verbindung zur Blue Army Bielefeld. Mirko blieb ganz ruhig und schüttelte ab und an ungläubig den Kopf. »Wie, du warst in Göteborg dabei? Bei der Europameisterschaft in Schweden, als 500 Deutsche Hooligans die Innenstadt verwüstet und die Holländer durch die Straßen gejagt haben?« »Ja, eine heiße Fahrt.« Er lächelte und fragte immer weiter, wollte eine Geschichte nach der anderen hören.
    Irgendwann stellte er seine Flasche Becks zur Seite und umarmte mich: »Schön, dass du hier bei uns bist! Nicht immer diese verweichlichten Abiturienten, sondern ein richtiger Mann mit eigenen Erfahrungen! Wir werden noch viel Spaß zusammen haben.« Ich hatte eine Rechtfertigung für mein Tun gefunden. Eine kleine, unerhebliche Rechtfertigung, aber eine, die mich

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