Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
Vom Netzwerk:
sich am liebsten die Privatadressen der SKBs besorgt, um ihnen eine schmerzvolle Abreibung zu verpassen. Aber auch das passierte nicht.
    Polizisten zeigen sich untereinander höchst selten an – nur in unvermeidbaren und eindeutigen Fällen. Der Korpsgeist geriet nur dann ins Wanken, wenn man es mit einem typischen Beamtenvertreter zu tun hatte. Mit einem Karrieristen, wie Gerd Volkerts vermutlich einer war. Der meldete sich freiwillig auf die SKB-Stelle und steckte unzählige Extrastunden in die Zerschlagung der Bielefelder Hooligan-Strukturen. Bei einem Gespräch stellte er einmal in Aussicht, dass ich in den kommenden drei bis vier Jahren bestimmt nach Bielefeld versetzt werden würde. Ich bemerkte den drohenden Unterton in seiner Stimme. Es war wie in einem Western-Film. Der Sheriff steht breitbeinig vor dem Saloon und wartet auf die Ankunft der Bösewichte. Volkerts schien auch zu warten. Auf mich!
    Und er fragte weiter: »Hast du dich schon entschieden, zu welcher Dienststelle du einmal wechseln möchtest?« Für mich gab es nur zwei Bereiche, die mich wirklich interessiert hätten.
    Zum einen die Fahndung: die Abteilung, die nach gefährlichen und bewaffneten Straftätern sucht, in ihrem privaten Umfeld ermittelt, um die nächsten Schritte der Gesuchten vorauszuahnen und diese dann zu verhaften. Das sind die Polizisten, die draußen unterwegs sind und nicht selten ihre Gegenspieler im Bereich der organisierten Kriminalität finden. Zum anderen das SEK: mein größter Traum zu jener Zeit. Volkerts nickte, verkniff sich aber jeden weiteren Kommentar.
    Ich verrichtete weiterhin meinen Dienst bei der Bereitschaftspolizei nahe Dortmund. In Vorbereitung auf die normale polizeiliche Arbeit fuhr ich Streife in der Stadt Dorsten. Ich wurde einem Beamten zugeteilt und durchlief eine Art Trainee-Programm. Hier erlernte ich die echte alltägliche Polizeiarbeit mit Unfallaufnahmen, Verkehrsdelikten bis hin zu jugendlichen Ladendieben, die man zu Hause bei den Eltern abliefern musste. Familienstreitigkeiten mit Gewaltanwendung, Kneipenschlägereien – nicht selten im Alkoholiker-Milieu –, Ruhestörung und alles, was sonst noch anfiel.
    Ich arbeitete sorgfältig einen Auftrag nach dem anderen ab. Kurz vor Streifenende fuhr man dann in die Dienststelle und schrieb die dazugehörigen Anzeigen und Berichte. Eine Arbeit, die weit von meinen ursprünglichen 007-Träumen weg war, aber dennoch eine Arbeit, die Spaß machte.
    Von Fall zu Fall wurde ich turnusgemäß bei Großeinsätzen eingeteilt. Dazu gehörten ganz selten auch Fußballspiele. Hauptsächlich in Düsseldorf und Wuppertal, wo ich gottlob niemanden aus der Hooligan-Szene näher kannte. Und es gab Großeinsätze, die mir bis heute unangenehm in Erinnerung geblieben sind: die Suche nach vermissten Menschen.
    Es war ein Donnerstag. Wir durchsuchten ein Waldgebiet nördlich von Dortmund nach einer 65-jährigen Frau, die nach unseren Informationen dieses Gebiet in Selbstmordabsicht betreten haben sollte. Wir suchten schon seit Stunden, ohne auch nur eine kleine Spur entdeckt zu haben. Ich war mit meiner Kollegin Tanja unterwegs, mit der ich zu jener Zeit zusammenarbeitete. Sie war eine der wenigen Kolleginnen, die ich ohne Vorbehalt voll akzeptieren konnte. Fachlich absolut fähig, keine größeren Ängste vor einer brenzligen Situation und hübsch war sie auch noch. Und ganz wichtig: Sie war eine der wenigen Polizistinnen, die nicht meinten, jeden Monat mit einem anderen Kollegen ins Bett springen zu müssen.
    Tanjas Freund hatte nichts mit der Polizei zu tun – er hatte etwas Vernünftiges gelernt. Die beiden waren seit fünf Jahren zusammen und ihre Hochzeit stand unmittelbar bevor. Darüber sprachen wir gerade, als wir eine riesige Dornenhecke durchsuchten. Die Hecke wuchs bis in Brusthöhe und war fast nicht zu durchdringen. Wir waren mit schweren Springerstiefeln und dicker Uniform ausgerüstet und ich fragte mich, wie eine 65-jährige Oma in Nachthemd und Hausschuhen – so zumindest sei sie zwei Tage zuvor von zu Hause losgegangen – hier durchgekommen sein sollte.
    Und doch: 50 Meter weiter fanden wir sie. Sie hing an einem Baum. Bekleidet mit ihrem knöchellangen Nachthemd, barfuß in ihren Pantoffeln. Aus mehreren dicken Schürsenkeln hatte sie sich eine Schlinge zusammengeknotet, den Strick in Kopfhöhe um einen Ast gewickelt, ihren Kopf durchgesteckt und sich einfach fallen gelassen. Offenbar wurde sie dann durch ihr eigenes Körpergewicht in die

Weitere Kostenlose Bücher