Gewalt ist eine Loesung
den Atem. Mühsam zwang ich mich, meine Currywurst runterzuwürgen und dabei ruhig und gelassen zu wirken. Geradezu empört den Kopf schüttelnd wiederholte ich meine Ausflüchte: »Aber was soll ich denn dazu sagen, wenn ich nicht dabei war? Was, bitte schön soll ich dazu sagen?
Ich müsste lügen, wenn ich dir jetzt etwas anderes erzählen würde, Gerd.« Der SKB konnte seinen Ärger kaum noch verbergen. »Nun, gut. Wir werden ja sehen.« Er drehte sich um und ließ mich an der Wurstbude stehen. Was von der Currywurst noch übrig war, schleuderte ich wütend in die Mülltonne. Ich war dran! Die hatten mich! Fast! Ich war kurz davor, aufzufliegen! Mein Glück schien mich tatsächlich zu verlassen …
Ich ging noch einmal die neuesten Informationen durch. Was hatte der SKB eben gesagt? Mein Name wäre in allen Strafanzeigen aufgeführt? Wen hätten alle Zeugen genannt? Frank und mich? Wenn sich das bestätigen sollte, wäre ich geliefert. Was da alleine an Kosten auf mich und Frank zukommen würde! Von meiner Polizeikarriere, die ganz schnell beendet wäre, einmal abgesehen. Die Kosten für die Krankenhausbehandlungen. Die Folgekosten aus den vielen Verlet-
zungen. Arbeitsausfälle – das Schmerzensgeld. Das kaputte Zelt, die zerstörte Musikanlage … Diese ganze Geschichte könnte mich im dümmsten Fall richtig fertigmachen. Und dann wäre ich erledigt. In jeder Hinsicht.
Das Hauptmotiv derjenigen, die uns bei der Polizei angezeigt hatten, war offenbar die Furcht vor weiteren Racheakten. Diese Leute wollten uns zur Strecke bringen, bevor wir erneut zuschlagen würden. Sie wollten sich vor uns schützen. Die Konsequenzen, die uns bevorstanden, sollten uns abschrecken, weitere Vergeltungsaktionen zu unternehmen. Was diese Leute nicht wissen konnten: Die Sache war für uns längst abgeschlossen. Es gab keine Rachegedanken. Was wir zu erledigen hatten, wurde in jener Nacht erledigt. Der Streit war für uns beendet.
Silvester lag zwei Monate zurück und die Welle der Vorladungen zu Vernehmungen riss noch immer nicht ab. Volkerts schien recht zu haben: Der Staatsanwalt würde die Sache bis zum bitteren Ende durchziehen. Was in jener Nacht passiert war, würde nicht als »normale« Schlägerei unter ein paar Betrunkenen durchgehen. Es sollte Verurteilungen hageln – es musste ein Exempel statuiert werden, koste es, was es wolle!
Für mich wurde die Situation von Tag zu Tag brenzliger. Die Tatsache, dass mein Name immer wieder in dieser Akte auftauchte, machte die ganze Sache gefährlich. Sollte sich mein Status als Beschuldigter nicht entscheidend ändern, würde ich bald sehr große Probleme bekommen. Eine Verurteilung, zusammen mit diesen Mitstreitern, von denen praktisch jeder aktenkundig und vorbestraft war, würde meine sofortige Entlassung bei der Polizei bedeuten.
Allein schon ein schriftlicher Vermerk des SKB Volkerts, eine Benachrichtigung an meine Dienststelle in Dortmund oder auch nur an die Bielefelder Polizeiführung würde schwerste dienstrechtliche Disziplinarmaßnahmen oder sogar die Entlassung nach sich ziehen. Die Tatsache, dass sich ein Polizist im Hooligan-Umfeld bewegte, würde vermutlich genügen. Ein paar Zeilen hätten gereicht. Aber keiner – so schien es – hatte bis dahin einen Bericht über mich angefertigt.
Frank und ich beratschlagten unser weiteres Vorgehen. Der Wortführer der Partygemeinde, der Veranstalter Mark, war schließlich mit uns zusammen auf derselben Schule gewesen. Warum sollten wir nicht noch einmal mit ihm reden? Ein versöhnliches Gespräch unter Klassenkameraden, vielleicht würde es etwas helfen. Und – die Frage stand im Raum: Wollten die sich tatsächlich mit uns anlegen? Wollten die uns vor Gericht in die Augen schauen und uns in die Pfanne hauen? Wollten die das wirklich? Irgendwie müssten doch beide Seiten erleichtert sein, wenn die Angelegenheit vom Tisch wäre. Das galt es Mark zu erklären …
Es war ein Sonntag und ich rief bei unserem ehemaligen Schulkameraden an. »Hallo Mark, hier ist Stefan Schubert. Hast du kurz Zeit?« Auf der anderen Seite der Leitung war nichts zu hören. Mark war verstummt. Gerade als ich dachte, er hätte wieder aufgelegt, hörte ich ein leises »Ja«. Gut so, er war noch dran. »Was soll das denn mit den Anzeigen?«, fragte ich ihn ohne Umschweife. Nur kein unnötiges Gelabere, dachte ich mir – wir hatten nichts zu verlieren. Die Antwort fiel erneut leise und schüchtern aus: »Wieso?« Er versuchte, Zeit zu gewinnen. Ich
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