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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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was er grob geschätzt an Drogen und Alkohol zu sich genommen hatte. Im Zweifel war man da nach einer Flasche Wodka und 15 Bieren der Nüchternste – und musste fahren. Auf dieses Spiel wollten wir uns nicht mehr einlassen und blieben aus diesem Grund häufig über Nacht.
    Die Hamburger Jungs und die Schalker Hools standen sich seit Jahren verfeindet gegenüber. Allein die Zusammensetzung der einzelnen Gruppierungen erhöhte die bereits bestehende Brisanz. Die Hamburger Ultras und die Blue Army Bielefeld hatten nur deutsche Jungs in ihren Reihen. Nachdem die alte Garde der Schalker Hools – die Gelsen-Szene – sich nach und nach aus dem aktiven Fußball-Geschehen zurückzog, stießen immer mehr ausländische Kämpfer, hauptsächlich Türken, in die offenen Reihen. Vor diesem Hintergrund und der langen Rivalität der beiden Vereine galt dieses Aufeinandertreffen bei Presse und Polizei zu Recht als »Brisanz-Spiel«.
    Wir konnten schon im Vorfeld dieses Ausflugs ahnen, dass die Polizei nicht unvorbereitet sein würde und vermutlich versuchen würde, dieses gefährliche Aufeinandertreffen der Hooligan-Truppen zu verhindern, aber das war uns gleichgültig. Wenn es scheppern sollte, bestens – wenn nicht, so hätten wir dennoch viel Spaß mit unseren Hamburger Freunden. Karten für das Spiel gab es ohnehin keine mehr, also beschlossen wir, in der Stammkneipe der Ultras, dem »Roten Eck«, einzukehren. Man würde ja sehen, ob es doch noch zum Showdown mit Schalke kommen würde. Das »Rote Eck« lag in unmittelbarer Nähe zur Herbertstraße direkt auf dem Kiez und gehörte einem der führenden Männer der Hamburger Ultras, Carsten.
    Carsten war gelernter Bankkaufmann bei einem Hamburger Geldinstitut. Diesen Beruf hatte er vor nicht allzu langer Zeit aufgeben müssen, da sich sein Lebensstil und die ständigen Kampfspuren im Gesicht und auf seinen Händen bei der Kundenberatung oder dem Zielvorgabegespräch mit dem Filialleiter nicht sonderlich gut gemacht hatten. Er lebte neuerdings auf dem Kiez und betrieb eine Kneipe. Das »Rote Eck« war gewissermaßen das Vereinsheim der Ultras und deshalb immer gut mit Jungs gefüllt. Die Wände waren weiß-blau gestrichen und mit HSV-Devotionalien dekoriert – die Musikauswahl war dem Publikum angepasst: alte deutsche Schlager, Böhse Onkelz und Metallica.
    Wir saßen mit Nils am Tisch. Nils, ein Junge aus gutem Hause – der Vater war Schuldirektor, die Mutter eine hohe städtische Angestellte –, arbeitete als Kaufmann in einem Hamburger Großunternehmen. Er wohnte noch zu Hause, seine Eltern besaßen einen herrlichen Bungalow in einem schönen Hamburger Vorort. Da Frank und ich planten, die Nacht im Hause seiner Eltern zu verbringen, erinnerte Nils uns noch einmal daran, dass seine Eltern nichts von seinen Fußballaktivitäten wussten. Sie seien jedoch schon ganz erfreut, die zwei Bielefelder Freunde ihres Sohnes kennenzulernen, besonders diesen Polizeibeamten, der einen so wertvollen, gesellschaftsrelevanten Beruf ausüben würde. Damit war ich wohl gemeint. Ich war also gesellschaftsrelevant! Gut zu wissen!
    Ein Großteil der Hamburger machte sich in Richtung Stadion auf. Ein paar Bielefelder auch – ohne Karten zwar, aber es gab ja noch den Schwarzmarkt. Frank, Paul und ich blieben mit unseren Hamburger Freunden in deren Kneipe sitzen. Von außen betrachtet, hätte man uns durchaus für eine Gruppe netter Jungs von nebenan halten können. Einstweilen gutes Benehmen, teure Markenklamotten, anständige Frisuren. Dass wir alle fast schlagartig zu gefährlichen Kämpfern und Schlägern explodieren konnten, war auf den ersten Blick nicht zu erahnen.
    Das Fußballspiel war beendet. Hamburg siegte 2:1 und die ersten Jungs kamen vom Stadion zurück. Sie berichteten, dass sie kurz mit den Schalkern Kontakt gehabt hätten. Aber wie befürchtet: zu viel Polizei! Es war unmöglich, im Bereich des Stadions etwas zu starten.
    Rund um das »Rote Eck« dürften sich nach dem Spiel gut 150 Jungs eingefunden haben. Und mit ihnen ganze Heerscharen von Polizisten sowie – für mein geschultes Auge deutlich zu erkennen – auffällig viele äußerst unauffällige Zivilkräfte. Es war Zeit für einen Ortswechsel.
    Wir überquerten eine Seitenstraße und betraten eine kleine, schäbige Kiez-Kneipe. Eine richtig miese Spelunke. Vielleicht 30 Quadratmeter groß, gelb-braune, vom Zigarettenqualm vergilbte Wände, geschmacklose, klebrige Möbel und eine Wirtin, die augenscheinlich einen Großteil

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