Gewalt ist eine Loesung
ruhiger werden ließ. Ich war kein Exot mehr. Da gab es noch andere Polizisten, die ein vergleichbares Geheimnis mit sich herumtrugen. Man musste sie nur finden.
Wir hatten tatsächlich viel Spaß zusammen. Wann immer Sondereinsätze zu vergeben waren, nahm Mirko mich mit und wir lösten unsere Aufgaben immer zu aller Zufriedenheit. Und zwar ohne übertriebene Härte, ohne Aggressionen und ohne Brutalität. Was man nicht von allen meiner Polizei-Kollegen behaupten konnte. Nicht wenige glaubten, nur weil sie Uniform und eine Pistole trugen, im Einsatz übertriebene Härte anwenden zu dürfen. Die Dienstuniform machte sie größer – besser. Dabei waren das nicht selten arme Würstchen, die zu Hause nichts zu melden hatten.
Ich kannte Kollegen, die sich ihr Playboy-Abo an die Dienstadresse schicken lassen mussten, damit die streng katholische Gattin zu Hause es nicht mitbekommen konnte. Ich wusste von Polizisten, die ihren Streifendienst nur mit verspiegelter Angeber-Brille verrichteten und sich bei Verkehrskontrollen ausschließlich mit großbusigen Blondinen beschäftigten, um über den Führerschein an die Privatdaten zu gelangen.
Mirko und ich waren sehr viel entspannter. Selbst in kritischen Situationen, zum Beispiel bei Auseinandersetzungen mit gewalttätigen Betrunkenen, blieben wir ruhig und sachlich. Und wir waren auch ohne Bedenken in der Lage, von Fall zu Fall einmal ein Auge zuzudrücken. Wir hatten es nicht nötig, uns oder anderen etwas zu beweisen. Mit Uniform, Pistole und der Staatsmacht an der Seite war es kein Kunststück, Autorität zu erlangen. Privat, alleine, nachts auf der Straße sah das schon etwas anders aus. Und auf der Straße hatten wir uns beide schon ausgetobt – ganz ohne unsere Uniformen.
13. Halbzeitpause –
Rinnesaufen auf der Reeperbahn
In der Blue Army waren echte Freundschaften entstanden. Es war mehr als eine Zweckgemeinschaft gewaltbereiter Fußballfans. Frank, Paul und ich fühlten uns wie Brüder. Wir wussten häufig, was in dem anderen vorgeht, ohne ein Wort gesprochen zu haben. Wir hatten dieselben Gedanken, dieselben Gefühle und dieselben Ansichten. Es war nicht nur, dass wir regelmäßig zusammen zum Fußball fuhren – wir verbrachten einen Großteil unserer Freizeit miteinander. Doch es war keine geschlossene Gesellschaft. Aus unserer Dreiergruppe wuchs mit der Zeit ein immer größerer Kreis.
Da war Kai. Verheiratet, zwei Kinder, Reihenhaus, Betriebsleiter in einer mittelständischen Druckerei, der sein Ventil im Fußball gefunden hatte. Zu Hause ein gutmütiger, liebenswerter Vater und Ehemann, ließ er sich bei uns nicht zweimal zu einer ordentlichen Schlägerei auffordern.
Jan war Maschinenbauer und begeisterter Mountainbike-Fahrer, Michael gelernter Bundeswehrkoch und Fred in der Torpedoherstellung. Dann gab es da noch Philipp und Thomas, der sein Geld als Kassierer in einem Pornokino verdiente. Und eben ich, der Polizist. Was wir waren, womit wir unser Geld verdienten, spielte in dieser Gruppe keine Rolle. Es gab kein Standesdenken, keine Überheblichkeiten und keine Arroganz. Jeder war akzeptiert, wir alle waren ganz einfach die »Jungs«.
Da war aber nicht nur der »Fußball«. Wir gingen zusammen zum Sport – laufen, boxen, Fitness, Sauna – und wir feierten bei jeder Gelegenheit, auch ohne einen besonderen Grund. Zu jener Zeit fuhren wir am Wochenende häufig nach Hamburg. Es gab seit vielen Jahren eine lockere Hooligan-Verbindung mit den Hamburger Ultras und wir brauchten zu jener Zeit kein Auswärtsspiel der Arminia, um uns einfach mal wieder mit den Hamburger Jungs auf ein Bier zu treffen.
Mit dem ähnlichen Sinn für Humor tranken und feierten wir bei unseren Besuchen im Norden wie die Geisteskranken. So eine Party verließ man kurzzeitig nur für eine schöne Frau oder eine gute Schlägerei. Aber wenn wir wollten, hatten wir tatsächlich auch gute Manieren. Wir konnten durchaus einem alten Mütterchen freundlich die Tür aufhalten – nur einen Moment später waren wir aber auch in der Lage, irgendeinem Fremden die Nase zu brechen. Beide Charaktereigenschaften gehörten zu jener Zeit untrennbar zu unserem Wesen.
So fuhren wir also mal wieder nach Hamburg. 25 Jungs in fünf Autos zum Spiel HSV gegen Schalke 04. Meine Clique beschloss, über Nacht zu bleiben, da wir uns an dem in der Gruppe üblichen Fahrer-Roulette nicht beteiligten wollten. In der Praxis sah das morgens um 6 Uhr, kurz vor der Rückfahrt so aus, dass jeder aufzählen musste,
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