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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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ihrer mindestens 60 Lebensjahre auf den Gassen der Reeperbahn ihr Geld verdient hatte. Völlig überschminkt mit einem Dekolleté, das gewaltige Brüste fast zum Bersten gebracht hätten. Das war unsere Kneipe! Bier und Korn flossen wie Leitungswasser. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass wir gut in Form waren.
    Die üppige Wirtin hinter dem Tresen war begeistert von uns jungen Männern und gab eine Runde Korn nach der anderen aus. Dass Lars dazwischen sein Bier aus den roten Pumps der alternden Thekenfrau trank, war erst der Anfang einer ordentlichen Alkoholorgie. Es sollte schließlich noch das sogenannte »Rinnesaufen« kommen. Ein Trinkspiel, das in gut gepflegten Gaststätten schon viel Überwindung gekostet hätte, in diesem Drecksladen jedoch einer echten Mutprobe glich. Getrunken wurde aus der schmalen Holzrinne, die an der Oberfläche der massiven Holztheke entlanglief. Wie alt mochte diese Holzplatte sein? 50 Jahre? 80 Jahre? Und wie oft dürfte sie in dieser Zeit gereinigt worden sein? Zwei- oder vielleicht doch dreimal?
    Das Bier wurde an einer Seite der Theke in die Holzrinne geschüttet und musste am anderen Ende mit dem Mund aufgefangen werden. Es hatte also rund vier Meter Zeit und Raum, um den gesamten Dreck einiger Jahrzehnte aus dieser siffigen Holzrinne auszuwaschen, bevor es in unseren Hälsen landete. Es versteht sich von selbst, dass diese eigenwillige Spielart mutwilliger Vergiftung diverser Schnäpse zur Desinfektion bedurfte. Aber wir hatten Spaß.
    Gegen 2 Uhr machten wir uns auf den Rückweg zum »Roten Eck« und schlenderten durch das Rotlichtviertel. Hier war noch Hochbetrieb. Irgendwie muss Paul hinter mir ins Stolpern geraten sein. Er machte einen Satz nach vorne und prallte gegen meinen Rücken. Da­raufhin wurde ich nach vorne geschubst – die klassische Kettenreaktion – und krachte um ein Haar mit einer Prostituierten zusammen. Sie konnte im letzten Augenblick ausweichen, schrie uns aber augenblicklich an: »Verpisst euch, ihr besoffenen Arschlöcher.«
    Wir gingen beschwingt weiter und dachten keine Sekunde länger an diesen kleinen Zwischenfall. Es war ja auch nichts passiert. Das glaubten wir zumindest. Bis mir vor dem »Roten Eck« plötzlich jemand mit dem Finger auf die Schulter tippte. Ich drehte mich um und merkte sofort, dass Ärger in der Luft war. Vor mir stand der Prototyp eines klischeehaften Zuhälters. Zwei Meter groß, blond-bräunliche Haare, die zu einem langen Pferdeschwanz zusammengebunden waren, T-Shirt mit Weste und schlechte Knast-Tattoos auf beiden Unterarmen. Ein schlechtes Zuhälterdouble, wie in einem billigen Rotlicht-Milieufilm.
    Das hier war aber leider die Realität, wie ich umgehend erfahren musste. Während ich den Typen noch musterte, stieß er mich mit beiden Händen vor die Brust und brüllte mich an: »Was sollte das gerade mit den Frauen?« Welche Frauen? Ich wusste zunächst gar nicht, was er von mir wollte. Meinte er diese Nutte von eben? Ich überlegte hastig. In kürzester Zeit spielte ich verschiedene Optionen durch. Der Typ war wirklich ein Riese. Breitschultrig, kräftig und entschlossen baute er sich vor mir auf. Und hinter ihm stand noch ein weiterer Berg von einem Schlägertypen. Wir befanden uns direkt vor dem »Roten Eck«, aber die Hamburger gingen plötzlich alle einen Meter zurück und bildeten einen Kreis um uns. Mir war sofort klar: Die Jungs würden sich zurückhalten. Sie lebten hier und sie wollten wenigstens vor ihrer Stammkneipe ihre Ruhe haben.
    Der Typ blickte mich hasserfüllt an und wiederholte seine Frage: »Was sollte die Scheiße mit den Frauen? Ich muss dir wohl eben mal die Zähne rausschlagen!« Ich musste handeln. Die alte Kämpferweisheit schoss mir durch den Kopf: Wer zuerst schlägt, gewinnt. Und das war auch mein Startsignal.
    Ich trat ihm ansatzlos und mit voller Wucht in die Eier.
    Damit schien er nicht gerechnet zu haben. Der Typ krümmte sich, hielt sich mit einer Hand seinen Hoden und schnappte nach Luft. Plötzlich richtete er sich wieder auf und griff mich an. Genau in diesem Moment kam Frank. Er schob einfach zwei Schaulustige zur Seite und knallte dem Zuhälter seine rechte Faust in die linke Gesichtshälfte. Der Riese sackte sofort zu Boden.
    Und schon war alles voll mit Polizei. Sie waren überall. Wie dumm von mir. Die Kollegen hatte ich total vergessen. Wegen des Schalke-Spiels standen noch immer zahlreiche Mannschaftswagen in den Seitenstraßen. Ich vermute, dass die Zivilbeamten, durch das

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