Gewalt ist eine Loesung
Halbkreis aus Schaulustigen – und eine Polizeisirene aus der Ferne. Ein kurzer Blick zu Frank genügte. Wir mussten weg! Ich bahnte mir einen Weg zwischen den Schaulustigen hindurch und stand plötzlich vor dem Türsteher. Er glotzte mich aus weit aufgerissenen Augen an. In seinem Gesicht standen Angst, Entsetzen und Abscheu. Ich musste abhauen, bevor die Polizei eintreffen würde. Frank und ich verschwanden lautlos in der Dunkelheit der zahlreichen Seitenstraßen. Alles noch mal gut gegangen. Das zumindest dachte ich in jener Nacht.
Doch diese Geschichte sollte mich drei Jahre später wieder einholen. Dann endlich wurde mir klar, dass die Polizei damals nicht erst mit den Streifenwagen eingetroffen war – sie verfolgte die ganze Schlägerei mit, und zwar live. Nicht mit Überwachungskameras, sondern in Gestalt des Türstehers mit dem Columbo-Mantel. Der absolvierte zu jener Zeit in der nahe gelegenen Landespolizeischule Stukenbrock seine Ausbildung zum Polizeikommissar und verdiente sich ein bisschen Geld nebenbei.
Dies wurde mir erst bewusst, als der Türsteher drei Jahre später in Uniform vor mir stand. Wir waren beide zum Streifendienst in Bielefeld eingeteilt und plötzlich traf der Türsteher in Uniform den Schläger in Uniform. Der Kerl erschrak geradezu, als er mich sah – schien aber nicht allzu sehr überrascht zu sein, dass ich ein Kollege von ihm war. Mich indes erwischte diese Begegnung eiskalt.
Wilde Gedanken schossen in meinem Kopf durcheinander. Würde er Bericht erstatten? Würde ich auffliegen wegen einer Schlägerei, die drei Jahre zurücklag? Und die noch nicht verjährt war? Inspektor Columbo nickte mir zu. Eine kurze Begrüßung, immerhin! Aber war das alles?
Die Sache ließ mir keine Ruhe. Die Tage vergingen zwar, ohne dass etwas Ungewöhnliches geschah, aber man konnte ja nie wissen. Eine Woche später zog ich einen seiner neuen Kollegen zur Seite. Ich kannte ihn ganz gut und konnte das Risiko eingehen, ihm ein paar Fragen zu stellen: »Wie ist der Neue?«, fragte ich ihn, »hat er was über mich erzählt?«
Die Gegenfrage musste kommen: »Was sollte er denn erzählt haben. Hast du dich nicht gut benommen?« Was barg diese Frage? Wusste er etwas? Er wartete auf eine Antwort. »Nichts Besonderes. Nur eine kleine Jugendsünde«, sagte ich beiläufig. Der Polizist versprach, sich bei mir zu melden, sofern er etwas hören würde. Aber er meldete sich nie wieder. Es gab nichts zu melden. Der Mann im Trenchcoat hatte geschwiegen.
15. Auswärtsbegegnung –
Bürgerkrieg in Bremen
Unsere Einsatzhundertschaft bereitete einen Großeinsatz vor. Dieser sollte besonders gut geplant werden, schließlich handelte es sich um den Tag der Deutschen Einheit 1994. Die Bundesländer wechselten sich mit der Ausrichtung der Feierlichkeiten ab und in jenem Jahr war Bremen an der Reihe. Viele Ministerpräsidenten wurden erwartet und der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl zusammen mit mehreren Kabinettsmitgliedern.
Die Verantwortlichen der Polizei hatten noch ganz andere Gäste auf der Liste: die linke Autonomen-Szene. Und das Motto der geplanten Gegendemonstration war unmissverständlich: »Nie wieder Deutschland!« Die Polizeiführungsstelle informierte uns bereits Tage vor dieser Veranstaltung über die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes. Es wurde mit einem großen Aufmarsch der gewalttätigen Autonomen-Szene gerechnet und für den Tag der Hauptdemonstration wurden schwere Krawalle befürchtet.
Aus diesem Grund wurden insgesamt 26 Hundertschaften aus ganz Deutschland, darunter mehrere BGS-Einheiten, zur Unterstützung nach Bremen angefordert. Die Hansestadt selbst hatte ihr eigenes Autonomen-Problem. Eine ganze Straßenzeile eines linken Szeneviertels war voll mit besetzten Häusern. Zur nicht weit entfernten Hamburger Hafenstraße gab es eine enge Vernetzung, genauso zu den Autonomen aus Berlin Kreuzberg. Es lagen auch Erkenntnisse über eine starke Reisebewegung autonomer Aktivisten aus Göttingen, dem Ruhrgebiet und aus Süddeutschland vor. In mehreren Vorbesprechungen wurden wir also auf die zu erwartenden Gewalttätigkeiten vorbereitet.
Mir persönlich verursachte dieser bevorstehende Großeinsatz naturgemäß kein Kopfzerbrechen. Im Gegenteil. Ich freute mich geradezu auf diese Herausforderung und hoffte, dass einer dieser Chaoten dicht genug an mich herankommen würde, damit ich ihm ordentlich eine verpassen könnte. Das, was ich in meiner Freizeit seit Jahren mit großer Leidenschaft
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