Gewalt ist eine Loesung
pflegte – mich zu prügeln –, durfte ich nun sogar in meinem Beruf erwarten. Der einzige Unterschied: Ich würde dafür sogar noch Geld bekommen. Ein echter Traumjob!
Die Autonomen waren dafür bekannt, Steine, Flaschen und Molotowcocktails zu schmeißen und Stahlkugeln mit großen Zwillen auf Polizisten zu schießen. Sie waren allerdings auch bekannt dafür, dass sie vorrückende Polizeikräfte eher mieden, besonders wenn diese in Schlagstocknähe kamen. Wie auch immer, ich fühlte mich für jede Form des Straßenkampfes gut gewappnet – was man von einem Teil meiner Kollegen nicht behaupten konnte.
Die meisten Polizisten meines 30-köpfigen Zuges waren wohlbehütet aufgewachsen. Vor allem Abiturienten, was mittlerweile Einstellungsvoraussetzung für die Polizeidienstlaufbahn war, aus gutbürgerlichen, intakten Familien. Sie blickten auf eine normale, harmonische Kindheit oder Jugend ohne jegliche eigene Gewalterfahrung zurück. Auch die durch sozialdemokratische Einflussnahme herbeigeführte 30-prozentige Frauenquote bei der Polizei hatte die Schlagkraft unserer Einheiten nicht gerade erhöht. Und in der Ausbildung der Landespolizei NRW kam die Vorbereitung auf gewalttätige Demonstrationen viel zu kurz.
Political Correctness war bei der Eindämmung oder gar Verhinderung linksautonomer Krawalle vermutlich nicht das richtige Instrument, so viel war einigen von uns klar. Meiner Meinung nach ging es in Bremen um ganz andere Dinge: Eier zeigen und hart dagegenhalten. Die oder wir. Straßenkampf nach alter Väter Sitte. Wer zuerst schlägt, gewinnt! Aber das war ja nur meine bescheidene Sicht der Dinge …
Vielen meiner Kollegen war in den Tagen vor Bremen die Angst ins Gesicht geschrieben. Mein Vorgesetzter Mirko und ich nahmen uns vor, bei etwaigen Ausschreitungen dicht beieinanderzubleiben. Wir wollten uns gegenseitig den Rücken frei halten und bei der erstbesten Gelegenheit nach vorn marschieren, um es diesen vermummten Arschlöchern einmal richtig zu zeigen.
Der große Festakt und die dazugehörige Gegendemonstration waren für Samstag angesetzt. Insgesamt liefen an diesem Tag 26 Hundertschaften auf, das waren 2600 Beamte! Ein immenser Personal- und Kostenaufwand. Und die Sicherheitslage wurde zusätzlich erschwert, weil an diesem Staatsakt mehrere ausländische Regierungschefs aus den benachbarten europäischen Ländern teilnehmen wollten.
Meine Hundertschaft war bereits für den fraglichen Freitag angefordert, um einen Teil dieser ausländischen Staatsgäste zu schützen. Unsere Einheit bewachte zwei Luxushotels in der Bremer Innenstadt, in denen skandinavische Staatsgäste abgestiegen waren. In einem dieser Luxushotels, dem Park-Hotel, sollte ab 21 Uhr ein offizieller Empfang stattfinden, an dem auch mehrere hochrangige deutsche Politiker teilnehmen sollten. Diesen Staatsakt mussten wir absichern. Wir übernahmen die direkte Bewachung des Hotels und verhinderten den unbefugten Zutritt ins Innere des Gebäudes. Nach der vorläufigen Planung sollten wir um 23 Uhr abgezogen und abgelöst werden, da wir bereits seit 12 Uhr mittags im Einsatz waren. Schließlich sollten wir noch etwas Ruhezeit vor dem Großeinsatz am Samstag bekommen.
Ich war erstaunt, dass wir an diesem Freitag zwar um 23 Uhr auf dem Gruppenwagen zusammengeführt wurden, aber noch immer keinen Entlassungsbefehl bekommen hatten. Unsere gesamte Hundertschaft stand taktisch geordnet in einer verdeckten Seitenstraße am Parkhotel und der von allen ersehnte Feierabend-Befehl blieb aus.
Eine düstere Vorahnung überkam mich. Und gegen Mitternacht sollte ich die Bestätigung bekommen. Die Polizei-Einsatzleitung ordnete unsere sofortige Alarmierung an. Die gesamte Hundertschaft wurde auf dem schnellsten Weg mit Blaulicht und Sirene in die Bremer Innenstadt gefahren. Die Ansage war kurz und deutlich: In dem linken Szeneviertel, in unmittelbarer Nähe zu den besetzten Häusern, sei es zu schweren Ausschreitungen und Krawallen gekommen. Es seien bereits mehrere Polizeibeamte angegriffen und ernsthaft verletzt worden. Geschäfte würden geplündert und verwüstet sowie Autos angezündet und abgefackelt.
Showdown! Wir wechselten unseren Funkkanal und belegten die gleiche Frequenz wie die bereits eingesetzte BGS-Hundertschaft im Autonomen-Viertel. Man konnte sofort aus dem Funkverkehr die Hektik und das Chaos heraushören. Die Luft brannte. Auch die Hintergrundgeräusche waren mehr als deutlich: Schreie, berstende Glasscheiben und Kampflärm. Mit
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