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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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lauter Stimme forderte der Hundertschaftsführer des BGS sofortige Unterstützungskräfte an. Man sei nicht mehr Herr der Lage. Die Einheiten wären in kleine Gruppen zersplittert, die immer wieder von vermummten Autonomen angegriffen würden. Es sei dringend Verstärkung nötig. Über Funk wurden Notärzte und Sanitätswagen angefordert – die Lage schien für die eingesetzten BGS-Beamten immer gefährlicher und vor allem auswegloser zu werden.
    Noch in den Mannschaftswagen gingen die ersten Befehle raus: Körperschutzweste, Schutzhelm, Schild und langer Schlagstock. Die langen, schwarzen Schlagstöcke aus Hartgummi hatten den viel effektiveren Holzschlagstock zwangsweise abgelöst. Die rot-grüne Regierung im Düsseldorfer Innenministerium hatte auf dieser Maßnahme bestanden – der Holzschlagstock verursachte im Einsatzfall deutlich schwerere Verletzungen.
    Besonders motivierte Polizisten umgingen diese Vorschrift. Der alte, verbotene Holzschlagstock wurde ganz einfach schwarz angemalt. Er sah dann – gerade für die Fernsehbilder – wie der neue Gummistock aus, hatte aber die verheerende Wirkung des Holzknüppels. Ich hatte mir selbstverständlich den schwarz lackierten Holzstock besorgt – mein Vorgesetzter Mirko und fünf weitere Gruppenführer unserer Hundertschaft auch. Die meisten Kollegen, auch die Polizeiführung, wussten davon und tolerierten es als persönliche Entscheidung.
    Der Hundertschaftsführer teilte uns per Funk mit, dass wir mitten in das »Krisengebiet« hineinfahren würden, um die BGS-Einheit schnell und effektiv zu unterstützen. Erste Anzeichen von Panik waren in den Gesichtern einiger meiner Polizeikollegen abzulesen. Ich bemühte mich, ruhig zu bleiben, und sprach unserer Gruppe Mut zu: »Bleibt zusammen, achtet auf den Nebenmann und wenn nötig: Schlagt zu!« Die Kollegen nickten zwar, aber man konnte in ihren Augen sehen, dass sie mit der Situation total überfordert waren.
    Es war in der Zwischenzeit 00:30 Uhr, tiefschwarze Nacht und es regnete leicht. Die ersten Fahrzeuge bogen in das Autonomen-Viertel ein und schon bei der Anfahrt wurden unsere Fahrzeuge mit Pflastersteinen und Flaschen beschmissen. Bei jedem Volltreffer zuckte man unwillkürlich zusammen. Das teure, bruchsichere Spezialglas hielt zwar allen Angriffen stand, aber das laute Scheppern auf dem Mannschaftswagen war unheimlich. Jeder Einschlag an unserem Gruppenfahrzeug ließ die Angst in unserem Fahrzeug ansteigen. Bei mir war genau das Gegenteil der Fall: Adrenalin, Wut und Zorn!
    Ich musste mich innerlich ermahnen. Bleib ruhig und konzen­triert. Behalte die Übersicht! Und falls du einen von diesen Steinewerfern erwischst, verpass ihm eine ordentliche Abreibung. Körper und Geist waren nun endgültig auf Kampf gepolt. Unsere Hundertschaft erreichte mit zehn Gruppenfahrzeugen und vier Streifenwagen der Polizeiführung das umkämpfte Viertel. Wir stiegen sofort aus und in Sekundenschnelle waren wir von den ersten Eindrücken erschlagen. Uns bot sich ein Bild wie im Bürgerkrieg. Das Blaulicht unserer Wagen flackerte unaufhörlich weiter und wurde in den unzähligen Fenstern der umliegenden Häuser reflektiert. Auf den ersten Blick konnte man eingeschlagene Scheiben und geplünderte Geschäfte erkennen. Autos lagen, zur Seite gekippt, mitten auf der Straße und dienten den Autonomen als brennende Barrieren gegen die vorrückenden Polizeikräfte.
    Ich schob gerade das Visier meines Helmes runter, umkrallte den Schlagstock mit der rechten Hand, als in unmittelbarer Nähe ein brennendes Auto in die Luft flog. Ich konnte die Druckwelle dieser Explosion spüren und genau in diesem Augenblick schien auch ich zu explodieren. Ich ging zu Mirko: »Jetzt wird’s ernst. Lass uns zusammenbleiben! Vielleicht erwischen wir ja eins von diesen Arschlöchern.« Ich war in diesem Moment eine entsicherte Waffe. Blieb nur noch abzuwarten, wann endlich der Auslöser gedrückt werden würde.
    Die Autonomen reisten aus ganz Deutschland an. Sie hatten sich für ihren Randale-Ausflug bereits einen Tag vor der angemeldeten Demonstration auf den Weg gemacht. Von den 2500 bis 3000 Autonomen, die am Samstag erwartet wurden, trafen bereits 1500 am Freitagabend in Bremen ein. Da bundesweit alle Zeitungen ausführlich über den bevorstehenden Polizeieinsatz am Samstag berichtet hatten, war ihre Strategie klar lesbar: »Warum auf Samstag warten, wenn man im Schutz der Dunkelheit und bei deutlich weniger Polizeikräften auch schon am Freitag

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