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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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ordentlich randalieren kann.«
    Das war in der Tat ein geschickter Schachzug. Am Freitag standen in Bremen nur drei Hundertschaften zur Verfügung. Eine BGS-Hundertschaft, eine Bremer Hundertschaft und eben wir. Die Bremer Polizeiführung hatte sich verkalkuliert. Sie fokussierte alles auf die Großdemonstration am Samstag und versuchte, den Aufwand und die Kosten für einen solchen Einsatz so gering wie nur möglich zu halten. 26 Hundertschaften der Polizei über zwei oder sogar drei Tage in einer Stadt einzusetzen, die Anmietung oder Einrichtung von 2600 Schlafplätzen, die Sanitäranlagen und die Verpflegung kosteten mehrere Millionen Mark. Bei Einsätzen wie diesen liefen Zehntausende von Überstunden auf und Tausende von Nachtzuschlägen mussten berechnet werden. In der Endabrechnung waren kaum abschätzbare Summen im Spiel.
    Aus diesem Grund war es gängige Praxis, die Polizeikräfte punktgenau anzufahren und nach den Einsätzen schnell wieder wegzubringen. Alles musste sehr schnell gehen. Ankommen, Befehle entgegennehmen, kurze Einweisung in die lokalen Gegebenheiten, Funkkanäle, taktische Gliederung und los. Dann neun, zehn oder elf Stunden Dienst und schnell wieder zurück in die Heimatdienststellen. In Anbetracht der klammen Landeskassen war diese Praxis durchaus nachvollziehbar, aber auch höchst riskant. Zumal wenn der Gegner offenbar über taktisches Gespür verfügte.
    Wir befanden uns in der Nähe der Einsatzfahrzeuge. Nur schemenhaft konnten wir die ersten Autonomen wahrnehmen. Sie suchten Schutz hinter geparkten oder umgestürzten Autos, verschanzten sich hinter Häuserecken oder versteckten sich hinter den Büschen eines nahe gelegenen Parkgeländes. Sie waren komplett in Schwarz gekleidet, die Gesichter mit schwarzen Sturmhauben vermummt, Motorradhandschuhe zum Schutz der Hände, und mit Pflastersteinen und Flaschen bewaffnet.
    Geworfen wurde mit allem, was Polizisten verletzen konnte: Mülleimer von Bushaltestellen, Telefonhörer aus Telefonzellen oder abgetretene Außenspiegel von geparkten Autos. Wir »Bullenschweine« waren der Feind. Wir galten als die Handlanger eines Staates, den sie verabscheuten. Uns würden sie bekämpfen, und wenn es dabei Tote gäbe. Ich war richtig sauer. Dass dieser Staat ihnen das Studieren an einer Universität ermöglichte, Sozialhilfe bezahlte, ihre Krankenkassenbeiträge bei Arbeitslosigkeit übernahm, war ihnen scheißegal. All dies waren Selbstverständlichkeiten, die sie von diesem Scheißstaat ganz einfach erwarteten.
    Meine Wut steigerte sich noch mehr, wenn diese bescheuerten Krawalle auch noch pseudo-intellektuell gerechtfertigt wurden. Am besten von links-intellektuellen Journalisten mit Cord-Anzug und schwarzen Hornbrillen, die an ihren Schreibtischen saßen, auf stylische Che-Guevara-Poster glotzten, diesen Bockmist auch noch verteidigten und aus den Steinewerfern – aus den Tätern! – unschuldige Opfer der Staatsgewalt machten.
    Diese verlogene Doppelmoral kotzte mich an. Unsere Hooligan-Schlägereien, die von denselben Journalisten als dumme, dumpfe und abzulehnende Gewalt abqualifiziert wurde, war um ein Vielfaches ehrlicher und respektabler. Bei uns wurde die Lust auf Gewalt nicht hinter absurden politischen Ausreden versteckt. Wir prügelten uns mit einem Gegner, weil wir geil auf den Kick waren. Weil uns die Gewalt und die Machtgefühle, die dabei entstehen konnten, berauschten. Wir waren lieber Täter als Opfer!
    Die in Bremen eingesetzten Polizisten – von wenigen einmal abgesehen – waren nicht scharf darauf, Autonome zu verdreschen. Die meisten der Beamten hätten mit ihrem Wochenende Besseres anzufangen gewusst. Dies war keine Verabredung zwischen zwei Gruppen, die Lust auf Gewalt hatten. Diese Lust war nur aufseiten der Autonomen zu erkennen. Zu einer Hooligan-Schlägerei konnte man stehen, wie man wollte, aber am Ende war es eine ehrliche Angelegenheit unter Männern. Dies hier in Bremen indes war eine Aktion, die nur durch Feigheit geprägt war.
    Die Autonomen starteten ihren Angriff. Sie operierten in mehreren kleinen Gruppen und bewarfen uns mit allem, was irgendwie greifbar war. Mit meinem linken Arm hob ich das Schild hoch, um Pflastersteine und Bierflaschen abzuwehren. Die Lage war nun wirklich sehr chaotisch. Unsere Hundertschaft operierte in einer vollkommen unbekannten Stadt und aus jeder Ecke hagelte es Wurfgegenstände auf uns nieder. Die Autonomen schleuderten im Schutz der Dunkelheit Steine gegen Polizisten und

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