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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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zündeten mit den geplünderten Schnapsflaschen aus dem Penny-Markt ihre Barrikaden an. Mirko und ich erhielten zusammen mit zwei Gruppen den Auftrag, diese etwa 20 Chaoten zu verjagen. Wir stürmten umgehend auf sie zu und ich suchte nun die direkte Auseinandersetzung. Ich wollte den Kampf. Ich wollte endlich einem dieser Typen meine Faust in sein Gesicht rammen. Endlich den ehrlichen Kampf. Mann gegen Mann, ganz so, wie ich es kannte. Es musste geschehen. Die Wut musste raus. Irgendeiner von diesen linken Ärschen sollte endlich daran glauben!
    Ich spurtete auf die brennenden Barrikaden zu. Zu Beginn meines Angriffs drehte ich mich noch einmal kurz um. Ich wollte sehen, wo meine Kameraden bleiben würden. Aber da war ich schon gut 20 Meter von meiner Einheit entfernt. Steine und Flaschen knallten auf mein Schild. Egal. Endlich war er da. Der Tunnelblick. Das Rasen im Hirn. Dieser Drang, zu kämpfen. Jemanden zu schlagen, bis er nicht mehr kann. In der Uniform war mir dieses Gefühl bis dahin fremd. Den Tunnelblick hatte ich immer nur beim Fußball. Oder bei Kneipenschlägereien. Plötzlich überkamen mich diese Emotionen als Polizist.
    Alles um mich herum schien zu verschwimmen. Nichts und niemand konnte mich aufhalten! Und wenn es das Letzte sein würde, was ich tat – ich musste kämpfen! Dass ich schon 30 Meter von meinen Kameraden entfernt war – egal! Als ich an dem ersten brennenden Müllcontainer vorbeirannte, traf mich ein Pflasterstein oberhalb des Knies. Dieser Bereich war durch nichts geschützt. Ich spürte den Schlag und den Schmerz, aber es interessierte mich nicht. Weiter! Nach vorne! Weiter! Und plötzlich musste ich stehen bleiben.
    Die 20 oder 25 Autonomen waren weg. Einfach weg. Geflüchtet. Abgehauen – vor einem einzelnen Mann! Was für eine Welt war das? Wo blieb da noch ein Rest von Würde? Ein Rest von Ehre? Dann überwand Mirko die Barrikaden. Sein Gesichtsausdruck war ernst und entschlossen. Er schlug mir besorgt auf die Schulter: »Alles klar? Bist du okay? «
    Mein Zustand normalisierte sich langsam wieder. Jetzt erst konnte ich meine Umgebung bewusst wahrnehmen: »Für diese Steine werfenden Weicheier reicht ein Mann!« Ich konnte es noch immer nicht glauben. »Ein Mann!«
    Erst jetzt schlossen die anderen Kollegen zu uns auf und ich sah die Angst in ihren kreidebleichen Gesichtern. Noch Monate später wurde ich auf diesen Vorfall angesprochen. Die Fragen wiederholten sich: Wieso ich ganz allein losgerannt sei. Ob ich denn keine Angst vor Verletzungen gehabt habe. Meine Antwort war immer dieselbe: »Wer hätte mich denn verletzen sollen? Ein Autonomer?«
    Der Tag der Deutschen Einheit verlief am Ende einigermaßen ruhig. An der genehmigten Demonstration beteiligten sich bis zu 3000 vermummte Autonome. Ihr Pulver hatten sie schon am Abend davor verschossen. Für uns blieb es ein entspannter Samstag. Und mir wurde an diesem Tag bewusst, dass ich eine Grenze überschritten hatte. Eine Grenze, die so klar hätte sein müssen. Meine Lust auf Gewalt war in meinen Polizeialltag gedrungen. Wann würde ich den nächsten, vielleicht noch folgenschwereren Schritt machen?

16. Foul –
Wenn Autonome in der Küche sitzen
    Wie viele Straftaten und Gesetzesverstöße ich im Laufe der Jahre begangen hatte, entzog sich mittlerweile meinem Überblick. Fakt ist, dass die Behörden rund acht Jahre nicht in der Lage waren, den Hooligan aufzuspüren, der ihnen fast täglich am nächsten kam. In der zentralen Hooligan-Datei wurden über die Jahre imposante Datenmengen gespeichert, um gewaltbereite Fußballfans mit Stadionverboten zu belegen oder Reisen zu Auslandsspielen zu verhindern. Den » Gewalttäter Sport « in ihren eigenen Reihen hatten sie über all die Jahre nicht gelistet. Ob nun aus Unvermögen, Korpsgeist oder Ignoranz – ich weiß es bis heute nicht.
    Für mich war mein Hooligan-Dasein – bis auf wenige Ausnahmen – derart zu einem Alltagsphänomen geworden, dass ich nur noch selten mein Doppelleben reflektieren musste. Ich spielte ständig mit dem Feuer, verbrannte mir aber auf wundersame Weise nicht die Finger. Wer oder was hätte mich zur »Vernunft« bringen sollen? Zumal ich mein damaliges Leben nicht als ein unvernünftiges betrachtete. Was ich tat, war normal. Für mich zumindest!
    So auch an einem Sonntag im Dezember 1995. Die Arminia hatte ein Heimspiel gegen die Spielvereinigung Erkenschwick. Die Erkenschwicker selbst waren personell nicht so stark besetzt, pflegten aber eine

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