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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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Polizei hätte insgesamt mehr Arbeit mit der Sache, was den Druck gegen uns vielleicht etwas entschärfen könnte.
    Frank und ich erschienen wie verabredet am Freitag auf der Dienststelle der beiden Bielefelder Zivilbeamten. Auf dem Weg in das Vernehmungszimmer wurden wir von vielen Polizisten misstrauisch beäugt. Die gesamte Einsatzhundertschaft befand sich in dem Gebäude und Frank war jedem als Mitglied der Führungsschicht der Bielefelder Hooligan-Szene bekannt. Und auch ich sah viele bekannte Gesichter. Viele von denen wussten, dass ich ein Polizei-Kollege war und einer unüblichen Freizeitbeschäftigung nachging.
    Dann machte er endlich seine Aussage. Sie bestand im Wesentlichen darin, dass Frank und Paul – ohne mich – die Stapenhorststraße überqueren wollten. Auf dem Weg zur Stammkneipe seien sie grundlos von 20 Autonomen angegriffen worden. Dabei habe man ihm, Frank, mit einem Hammer auf den Kopf geschlagen und schwer verletzt. An bestimmte Personen oder Gesichter könne er sich nicht erinnern und auch den Hammerschlag vermöge er niemandem direkt zuzuordnen.
    Damit war für uns die Sache beendet. Die Anzeige sollte Polizei und Staatsanwaltschaft zufriedenstellen und ihren Ermittlungselan etwas bremsen. Frank wurden mehrere Fotos von Autonomen vorgelegt, die an dem betreffenden Tag gemacht worden waren. Er konnte keinen identifizieren – wie abgesprochen. Und dann, plötzlich, überrumpelte mich der SKB Volkerts mit einer Frage:
    »Erkennst du jemanden auf den Bildern?« Guter Versuch. Ein bloßes »Nein« hätte mich bereits verraten können. »Wie soll ich denn jemanden erkennen? Ich kam erst dazu, als alles schon vorbei war, und dann habe ich mich ausschließlich um Frank gekümmert.«
    Bis dahin lief die Geschichte nach Plan. Es gab nur ein kleines Problem. Marcus, der Tätowierer, einer von den Jungs, hatte der Polizei gegenüber einen der Autonomen als den mutmaßlichen Hammerschläger beschuldigt. Das war als reines Ablenkungsmanöver gedacht, denn dieser Typ war definitiv unschuldig. Nachdem Frank seine Anzeige gemacht hatte, fügten die Ermittlungsbehörden die Puzzleteile einfach zusammen. Da war die Anzeige gegen unbekannt und dort der passende Name dazu – fertig.
    Für diesen Autonomen hieß das schlichtweg: Pech gehabt! Und die Staatsanwaltschaft machte aus der Sache einen richtigen Fall. Was auch nötig war, schließlich hatte diese Straßenschlacht erhebliche Wellen geschlagen. Die Presse war empört, die Öffentlichkeit geschockt. Ein Zeichen musste gesetzt werden.
    Knapp ein Jahr nach der Schlägerei kam es dann zu einer Gerichtsverhandlung, bei der Frank, Paul und ich als Zeugen geladen waren. Während wir uns darum bemühten, mit gebügelten Hemden und anständigen Frisuren einen guten Eindruck zu hinterlassen, erschien Marcus in seinem ganz normalen Alltagslook: geschnürte Lederhose, schwarze Doc-Martens-Stiefel und grünes Londsdale-Sweatshirt, bei dem selbstverständlich die Ärmel so weit hochgeschoben waren, dass auch jeder erkennen konnte, womit Marcus sein Geld verdiente. Sein kurz geschorener Schädel auf einem vollständig tätowierten Hals rundete sein Erscheinungsbild perfekt ab. Marcus also gab den Hauptzeugen – drei in Schwarz gekleidete Autonome sollten den Angeklagten entlasten.
    Auf dem Weg zum Gerichtssaal begegnete ich einer Gruppe Bielefelder Bereitschaftspolizisten, die den Prozess absichern sollten. Sie musterten mich missmutig. Nein, ein Hooligan in Uniform könnte nie einer von ihnen werden. Mein fragwürdiges Doppelleben lehnten diese Männer augenscheinlich ab. Das konnte ich sehr deutlich spüren.
    Angeklagt war also der Autonome, von dem Marcus behauptet hatte, dass er der Hammerschläger sei. Im Gerichtssaal offenbarte sich allerdings schnell die erste Kuriosität: Der Beschuldigte war etwa 1,70 Meter groß und eher schmächtig, Frank wog 125 Kilo bei 1,98 Meter Körpergröße. Der Richter forderte die beiden auf, sich nebeneinander zu stellen – die Verhandlung hätte an dieser Stelle bereits beendet werden können.
    Unsere Gruppe hatte sich im Vorfeld des Prozesses noch einmal besprochen. Wir waren uns einig, dass kein Unschuldiger verurteilt werden sollte. Nicht einmal, wenn es sich dabei um einen Autonomen handelte. Mit dieser Anzeige hatten wir im Grunde nur die polizeilichen Ermittlungen von uns ablenken wollen. Sollte die Polizei ruhig denken, sie hätte die Hauptbeteiligten vor Gericht und der Gerechtigkeit wäre Genüge getan. Presse und

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