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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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der Straße würde die Sache mit Sicherheit ein gerichtliches Nachspiel haben. Frank stand zehn Meter von mir entfernt. Er war immer noch nicht Herr seiner Emotionen und hatte nicht begriffen, dass er schleunigst abhauen musste. Ich zerrte ihn in eine kleine, dunkle Seitenstraße. Einer musste ruhig bleiben. Und konzen­triert. Ich musste schnell umschalten. Auf Polizeimodus. Denken, handeln und reagieren, wie ich es gelernt hatte. Das tun, was mir bislang immer geholfen hatte. Aus dem Schläger musste der Polizist werden. Weg von den größeren Straßen! Dort würde die Polizei zuerst kon­trollieren. Uns blieben vielleicht noch fünf Minuten, um der Polizei zu entkommen. Fünf Minuten, um noch zwei größere Straßen zu überqueren, danach wäre das gesamte Viertel abgesperrt. Ich wusste, dass es eng werden würde.
    Frank war immer noch nicht voll aufnahmefähig. An meiner Hose klebte Blut. Ich versuchte, mich auf mein Bein zu konzentrieren. Keine Schmerzen! Also war es nicht mein Blut! Beide Faustballen waren von den Schlägen angeschwollen und schmerzten. Aber ich war okay. Also – weiter! Raus aus diesem gottverdammten Viertel!
    Wir schlichen durch kleine Seitenstraßen. Aus jeder Ecke ertönten Polizei-Sirenen. Unter einer Laterne blieben wir kurz stehen. Ich musste mir endlich Franks Kopfwunde ansehen. Die gewaltige Platzwunde blutete noch immer stark. Er brauchte dringend ärztliche Versorgung, so viel stand fest. In ein Krankenhaus konnten wir aber nicht gehen, denn alle Krankenhäuser würden schon bald von der Polizei kontrolliert werden.
    Es gab für den Moment nur eine Möglichkeit: Ich musste ihn in die Wohnung meiner Freundin bringen. Sie war gelernte Zahnarzthelferin und konnte ihm vielleicht helfen. Auf ihre Vorwürfe und Forderungen, mein Doppelleben endlich zu beenden, hatte ich naturgemäß keine Lust, aber in diesem Augenblick ging es nur um Frank. Ich ließ ihn zunächst im Treppenhaus warten, um Katja auf seinen Anblick vorzubereiten.
    Sie brauchte eine halbe Stunde, um die Wunde zu desinfizieren und die Blutung zu stoppen. Und so lange schien sie auch zu brauchen, um ihren ersten Schock zu verarbeiten. Dann legte sie los: »Es ist Sonntagabend. Jedes normale Pärchen sitzt auf dem Sofa, schaut sich einen Film an oder kocht gemeinsam. Mein Freund aber beteiligt sich lieber an einer Massenschlägerei und bringt seinen blutüberströmten Freund mit nach Hause. Und den darf ich dann notversorgen, weil er nicht ins Krankenhaus kann, da ihr beide von der Polizei gesucht werdet. Stefan, du bist Polizeibeamter Und morgen fährst du wieder zu deiner Dienststelle. Ist dir das alles egal? Bin ich dir egal?«
    Katja war meine große Jugendliebe. Wir waren seit dem 16. Lebensjahr zusammen. Sie sprach schon seit längerer Zeit von Hochzeit und Kindern. Aber das war nicht meine Welt. Noch nicht. Meine Welt war letztlich diese hier. Für harmonische Pärchenabende vor dem Fernseher bliebe noch viel Zeit. Und die sollte noch lange nicht kommen …
    Am Tatort wurde die höchste Alarmstufe ausgerufen und die Bezirksreserve angefordert. Das hieß, dass alle Polizeikräfte aus einem Umkreis von 35 Kilometern – auch aus benachbarten Städten und Gemeinden – ihre Einsätze abbrechen und sofort zu dem neuen Einsatzort aufbrechen mussten. Eine Bezirksreserve wurde normalerweise nur bei bewaffneten Banküberfällen, bei Mord oder Geiselnahmen angefordert.
    Die Hauptstraßen wurden abgesperrt. Und dann auch alle kleineren Seitenstraßen. Der Ring schloss sich. Fast alle Beteiligten der Schlägerei wurden polizeilich erfasst. Hooligans und Autonome. Waffen wurden sichergestellt, unzählige Aufnahmen gemacht und die verletzten Autonomen ins Krankenhaus gefahren.
    Der noch immer bewusstlose Hammerschläger wurde ebenfalls in ein Spital eingeliefert. Wie sich später herausstellte, erlitt er einen doppelten Kieferbruch, einen Jochbeinbruch, Schädelprellungen und jede Menge weitere Verletzungen. Frank und ich waren die Einzigen, die nicht festgenommen wurden. Keiner hatte uns gesehen, keiner wusste, wo wir waren. Die Jungs hielten alle dicht. Die einzigen Angaben, die gemacht wurden, bezogen sich auf die Hammerattacke gegen Frank. Aber der war noch immer nicht auffindbar. Als mein Name fiel, zuckten alle nur mit den Schultern.
    Ich fuhr am Montag ganz normal zu meiner Dienststelle in der Nähe von Dortmund und verrichtete meinen Dienst. Erstaunlicherweise fiel es mir nicht schwer, meinen lädierten Körper in die

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