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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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amtliche Bekleidung eines Polizisten zu stecken. Heute weiß ich, dass die Uniform nur noch eine Verkleidung war. Sie umhüllte einen Menschen, der innerlich sehr weit seiner ursprünglichen Berufung entglitten war.
    Kaum war ich angekommen, sprach mich auch schon mein Kollege Mirko an: »Warst du dabei?« Er habe davon schon in der Zeitung gelesen, erklärte er mir und fragte aufgeregt: »Und, habt ihr es den autonomen Arschlöchern ordentlich besorgt?«
    »Ja, verdammt ordentlich«, erwiderte ich. Er brannte auf Einzelheiten und schüttelte ungläubig den Kopf, als ich ihm die ganze Geschichte schilderte. Später am Nachmittag stand er dann plötzlich vor mir und zog mich zur Seite. Er flüsterte mir zu, dass es einen Anruf für mich aus dem Polizeipräsidium Bielefeld gegeben habe. Ich solle eine bestimmte Durchwahl in der Dienststelle Bielefeld zurückrufen.
    Mein erster Gedanke: Das war’s dann wohl. Ich versuchte, mich zu beruhigen, aber es wollte nicht gelingen. Und es half ja nichts – ich musste den Anruf machen. Ich ging ins Geschäftszimmer, suchte mir eine ruhige Ecke und rief die Bielefelder Behördennummer an. Am anderen Ende meldete sich Gregor Lintz, einer der beiden szenekundigen Beamten. Ich versuchte, einigermaßen ruhig zu klingen, aber in meinem Herzen wütete ein Orkan. Sie werden doch nicht etwas gegen mich in der Hand haben? Spätestens in diesem Moment war klar: Meine beiden Leben hatten sich wieder einmal gekreuzt. Sie waren im Begriff, ernsthaft miteinander zu kollidieren. Eine beunruhigende Vorstellung.
    Und da fiel es mir plötzlich wieder ein. Ich war an dem Sonntag gerade mit Frank und Paul zusammen auf dem Weg ins »Melody«, als wir nur wenige Minuten vor der Schlägerei den beiden Bielefelder Zivilbeamten über den Weg liefen. Wie konnte ich das vergessen haben? Wir hatten zwar nur ein paar belanglose Worte gewechselt, aber die beiden Beamten mussten nur eins und eins zusammenzählen. Paul wurde an dem Abend festgenommen und über Frank wussten sie, dass er einen Hammer auf den Kopf bekommen hatte. Fehlte also nur noch einer. Ich! Welche Rolle hatte ich in dieser Straßenschlacht gespielt?
    Lintz erkundigte sich nach Frank. Er müsse ihn unbedingt sprechen und er habe gehört, dass dieser von den Autonomen schwer verletzt worden sei. Da aber bislang nur ein Autonomer mit schlimmen Verletzungen aktenkundig sei, würde es der Polizei schwerfallen, tatsächlich in beide Richtungen zu ermitteln. Kurz gesagt: Wir brauchten einen verletzten Hooligan, der Strafanzeige erstatten würde, sonst wären wir allein die Bösen. Und dann würde der gesamte Ermittlungsdruck nur auf uns lasten.
    Ganz beiläufig fragte er, wo ich mich denn während der Schlägerei aufgehalten hätte. Obwohl mein Pulsschlag wie Donnerhall in mir pochte, gelang es mir, gelangweilt und unschuldig zu klingen: »Du, kurz nach unserer Unterhaltung habe ich mich von Paul und Frank getrennt. Vor der Wohnungstür habe ich dann den Lärm gehört und bin noch mal zurückgelaufen. Und da habe ich Frank blutüberströmt vorgefunden. Ich habe ihn zu meiner Freundin gebracht – sie ist ausgebildete Zahnarzthelferin – und die hat ihn dann medizinisch versorgt. So gut es eben ging …«
    Das Schweigen von Lintz war vielsagend. Nach einer kurzen Pause sprach er weiter: »Ach so, wir haben euch nämlich überall gesucht. Auch in den Krankenhäusern. Eure Namen sind gestern immer wieder gefallen und wir wollten unbedingt mit euch über die Schlägerei sprechen.« Ich musste weiter cool bleiben: »Dazu kann ich nichts sagen, weil ich ja nicht dabei war. Aber ich werde mit Frank telefonieren und mich danach melden.«
    »Okay, das muss aber wirklich schnell passieren. Wir bekommen ziemlichen Druck von oben.« Er erzählte mir noch, wie gerne die Polizei am Vorabend das besetzte Haus durchsucht hätte. Aber dazu habe ein guter Grund gefehlt. »Wenn jemand ausgesagt hätte, dass einer von den Typen bewaffnet in das Haus geflüchtet wäre, dann hätte man eine Durchsuchung machen können«, sagte Lintz und berichtete weiter, dass mehrere Abteilungen scharf auf dieses Haus wären: Staatsschutz, die Abteilung Linksextremismus, Drogenfahndung und wer sonst noch. Hatte Lintz mir meine Geschichte abgenommen? Ich wusste es nicht.
    Am Montagabend rief ich Frank an. Wir diskutierten hin und her und kamen am Ende zu dem Entschluss, dass Frank eine Anzeige gegen unbekannt stellen sollte. Von unserer Beteiligung würde so ein wenig abgelenkt und die

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