Gewalt ist eine Loesung
unserer Aktion. Ich kann es mir nicht erklären.
Der Prozess endete, wie wir es uns nicht besser hätten erträumen können. Alle Strafanzeigen wurden eingestellt. Der mutmaßliche Hammerschläger kam ungeschoren davon und auch Paul wurde nicht wegen schwerer Körperverletzung verurteilt. Das Blut an seinen Stiefeln konnte niemandem zugeordnet werden, da die Schuhe falsch asserviert worden waren. Die Sache war gut ausgegangen. Für die meisten zumindest.
Der schwer verletzte Autonome, der wie tot auf dem Asphalt gelegen hatte, war nicht mehr derselbe Mensch. Bei seiner Aussage machte der junge Mann einen verstörten Eindruck. Er berichtete mit stockender Stimme von den seelischen Problemen, die er davongetragen habe. Dass er nur noch zu Hause herumsitzen würde und mit der Autonomen-Szene nichts mehr zu tun haben wolle. Es war merkwürdig. Als der Kerl in dem Gerichtssaal saß und seine Aussage machte, sah ich einen gebrochenen Mann auf dem Stuhl sitzen. Der Kerl war kaputt. Und als er die Art seiner Verletzungen beschrieb, wurde es in dem Saal ganz ruhig: ein doppelter Kieferbruch, Jochbeinbruch, Schädelprellung und schwere Verletzungen im Brustbeinbereich. Ich bekam einen trockenen Hals.
Nach dem Prozess erschienen ein paar Presseartikel, die sich auch mit mir befassten: »24 Jahre alt, Polizeibeamter, befreundet mit einem Hooligan aus der Schulzeit«, stand da. Doch das störte offenbar niemanden. Weder die Presse noch das Polizeipräsidium Bielefeld oder meine eigene Dienststelle in der Nähe von Dortmund, die mich für meine Zeugenaussage freistellen musste, sahen einen Anlass für eigene Untersuchungen. Keine Ermittlungen, keine Nachfragen, nichts. Das Verfahren wurde beendet und die Akte geschlossen. Sie verschwand irgendwo in den Tiefen des Gerichtsarchivs. Und somit auch aus meinem Leben.
Und es war mal wieder merkwürdig. Diese Geschichte hätte nicht gut für mich ausgehen dürfen. Und doch war ich wieder davongekommen. In meinem Unterbewusstsein konnte ich spüren, dass sich die Schlinge um meinen Hals immer weiter zuzog. Denn viele Polizisten wussten in der Zwischenzeit von meinem Doppelleben. Vielleicht zu viele …
17. Seitenwechsel –
Ein Dealer muss büßen
Und dann wurde ich überraschend schnell nach Bielefeld versetzt. Ein komisches Gefühl – gerade nach dieser kuriosen Gerichtsverhandlung –, in der Polizeiinspektion Süd Streifenbeamter in meiner Heimatstadt zu werden. Zu meiner Verwunderung wurde ich nicht der Einsatzhundertschaft zugeteilt, wie es für jeden Neuankömmling in einer Behörde üblich gewesen wäre. Nein, ich kam in den Streifendienst!
Ich fragte mich, ob diese ungewöhnliche Versetzung möglicherweise mit meinem Privatleben in Verbindung stand. Bei der Einsatzhundertschaft wäre ich Fußballspielen der Arminia zugeteilt worden. Und diese Aufgabe hätte in der Tat brisant werden können. Der Polizist Stefan Schubert stünde seinen Hooligan-Freunden der Blue Army gegenüber … Ein Szenario, das ich mir nicht einmal ansatzweise vorstellen konnte. Mir war selbstverständlich klar, dass ich fortan als Bielefelder Polizeibeamter bei jedem Einsatz damit rechnen musste, auf meine Jungs zu treffen. Ein Alptraum, den ich immer weit von mir weggeschoben hatte. Und nun war er Realität.
Immerhin, die Polizeiinspektion Süd war einigermaßen weit weg vom Bielefelder Präsidium, wo deutlich mehr Beamte bereits von meinem Doppelleben wussten als hier in dieser Nebenstelle. Gleichwohl wurden alle Neuankömmlinge zum Beweis- und Dokumentationstrupp ins Bielefelder Polizeipräsidium einbestellt. Dort sollten Ganzkörper- und Porträtfotos in Uniform gefertigt werden, denn schließlich musste sich jeder für die Bielefelder Behörde einen neuen Dienstausweis anfertigen lassen.
Das wollte ich in jedem Fall vermeiden. Keine Fotos! Unter gar keinen Umständen! Die Dokumentationsabteilung machte nämlich nicht nur schöne Ausweis-Bildchen, sie archivierte auch sämtliche Film- und Fotoaufnahmen rund um die Spiele des DSC Arminia Bielefeld. Im Laufe der Jahre kam hier ein stattliches Bildarchiv über die Bielefelder Fußball-Szene zusammen und ich musste davon ausgehen, dass auch Abzüge von mir darunter waren. Ganz abgesehen davon fand ich es für mich beruhigender, wenn im Polizeipräsidium keine aktuellen Fotos von mir im Umlauf waren – man konnte ja nie wissen …
Insgesamt liefen drei schriftliche Aufforderungen für diesen Fototermin bei meiner Dienststelle auf, was dazu
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