Gewalt ist eine Loesung
Marius machte einen Schritt auf die junge Türken-Gang zu und schrie: »Seid ihr lebensmüde, ihr blöden Wichser? Seht zu, dass ihr hier verschwindet, sonst hängen wir euch hier am Rathaus auf.«
Ich schaute mich um. Keine Polizei weit und breit. Ein paar hundert Meter entfernt standen ein paar Beamte, um den Verkehr zu regeln, andere waren nicht zu sehen. Keine Einsatzhundertschaft, keine Sonderschichten, nichts. Und ich wusste auch, weshalb dem so war. Der Polizeipräsident von Bielefeld war verärgert. Wie im Präsidium erzählt wurde, soll er bei der Vorbereitung der Aufstiegsfeier übergangen worden sein. Die Vereinsführung der Arminia hatte in ihrem Freudestaumel wohl vergessen, den Polizeipräsidenten offiziell zu informieren, hieß es. Alles war für diesen Samstag vorbereitet worden. Die Radiosender und die Zeitungen hatten im Vorfeld dieser Party kaum ein anderes Thema, Dutzende von Bier- und Imbissständen waren aufgebaut worden, der Doppeldecker-Bus gebucht – alles war geregelt, nur dieser eine Anruf im Präsidium soll ausgeblieben sein.
Als dieses kleine, durchaus nachvollziehbare Missgeschick zwei Tage vor der Feier bemerkt wurde, soll der Polizeipräsident bereits eingeschnappt gewesen sein und es hieß, er habe die Arminia-Verantwortlichen eiskalt abblitzen lassen. Da er offiziell nichts von einer Aufstiegsfeier wisse, könne er hierfür auch keine weiteren Polizeikräfte mehr zur Verfügung stellen. Die Planung und Organisation solcher Einsätze bedürften einer längeren Vorbereitung und dafür sei es nun zu spät, soll er dem Bundesliga-Aufsteiger übermittelt haben. 25.000 angetrunkene Arminia-Fans und etwa 200 »Gewalttäter Sport« waren auf den Straßen von Bielefeld und die Polizeikräfte saßen zu Hause im Garten und grillten Würstchen. Der Einsatz wurde kräftemäßig wie ein Schützenvereinsumzug gefahren. Polizeikräfte standen fast nur zur Verkehrsregelung bereit. Die eingesetzten szenekundigen Beamten wurden von drei auf sechs Mann erhöht – darunter auch mir gut bekannte Kollegen – und dazu wurden noch ein paar wenige Beamte in Bereitschaft gesetzt. Das war’s mit der Polizeipräsenz an diesem epochalen Samstag. Eine geradezu dümmliche Ausformung von Eitelkeit, die an jenem Abend noch böse bestraft werden sollte.
Die vier jungen Türken schienen endlich realisiert zu haben, dass sie es mit einer größeren Gruppe von jungen Männern zu tun hatten, die man besser in Ruhe ließ. Sie zogen sich langsam zurück und die Sache schien ausgestanden. Bis sich nach etwa zehn Metern plötzlich einer aus dieser Vierergruppe umdrehte, mit seinem Springmesser fuchtelte und schrie: »Wir kommen wieder!«
Es dauerte vielleicht eine Stunde und plötzlich standen die Jungs tatsächlich mit 20 Leuten wieder vor uns. Und das war dann der Fehler Nummer vier. Innerhalb nur weniger Sekunden stürmten etwa 40 geübte Straßenschläger auf den Haufen zu. Die türkische Truppe hatte nicht den Hauch einer Chance. Die Jungs der Blue Army kamen wie eine riesige Welle über diese halbstarken Kerle und keiner von ihnen wurde verschont. Aber die Türken gaben noch immer keine Ruhe.
Wie von Geisterhand – vermutlich mittels einer Telefonkette – strömten immer mehr türkische Männer in die Innenstadt von Bielefeld und versammelten sich am Klosterplatz. Und genau dort lag auch unsere Stammkneipe – das »Cobra«. In der Zwischenzeit war es bereits dunkel geworden. Die Aufstiegsfeier endete offiziell um 22 Uhr und die Polizeiführung schickte – wie geplant – die spärlichen Einsatzkräfte in den Feierabend. Eine Entscheidung, die ich bis heute nicht nachvollziehen kann, schließlich hätten zumindest die szenekundigen Beamten bemerken müssen, dass buchstäblich Rauch in der Luft stand.
Die Lage geriet völlig außer Kontrolle. Die Türken dachten wohl immer noch, sie hätten es mit »normalen« Deutschen zu tun, denen man nur ein wenig Angst machen und ein paar Schläge verabreichen müsste – und fertig. Ich wusste von Gesprächen mit Türken, dass die Deutschen den Ruf hatten, nicht füreinander einzustehen. Ducken, Klappe halten, abhauen. Dummerweise waren die Jungs beim Ostwestfalenterror gelandet.
Die Gruppe der Türken war in der Zwischenzeit auf rund 100 Mann angewachsen und in sämtlichen Nebenstraßen des Klosterplatzes brandeten immer wieder Schlägereien auf. Eine Gruppe Hamburger sah ein voll besetztes Auto mit Türken in einer Seitenstraße ankommen. Die Männer in dem Wagen
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